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Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht

Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht

Titel: Wo die Hoffnung blüht - [Roman]: Wo die Hoffnung blueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Pearse
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teilnehmen zu wollen. Sie warfen Blumen und winkten mit ihren Taschentüchern. Sie hofften sogar, dass der Krieg nicht enden würde, bevor sie erwachsen genug waren, um selbst jemanden zu haben, den sie zum Abschied küssen konnten.
    Doch hinter all dieser hektischen Aktivität lag auch ein zunehmendes Unbehagen, das im Laufe der Monate April und Mai weiter wuchs. Die Lehrer in der Schule machten ernste Gesichter, und sie waren mit einem Mal abgeneigt, ihnen den Vormarsch der Deutschen in Holland und Belgien auf der Karte zu zeigen.
    Dann, Ende Mai, war ganz Paris entsetzt, als die französischen und englischen Truppen sich auf einen Brückenkopf bei Dünkirchen zurückziehen mussten. Kirchenglocken läuteten, und die Menschen kamen in Scharen herbeigeströmt, um zu beten, dass die Männer ihrer Familien unter jenen waren, die nach England hatten übergesetzt werden können.
    Während Frankreich noch immer erschüttert war von dieser Katastrophe, rückten die Deutschen in Richtung Paris vor. Am zehnten Juni verließ die französische Regierung die Hauptstadt, weil sie sich nicht verteidigen ließ. Obwohl die meisten Bürger froh darüber waren, dass ihr geliebtes Paris von der Zerstörung durch Belagerungen und Straßenkämpfe verschont blieb, waren sie dennoch zutiefst entsetzt, als sie die ersten deutschen Truppen in die Stadt einmarschieren sahen.
    Yvette und Françoise stahlen sich davon, um zu beobachten, wie die berittene Artillerie der Deutschen durch den Triumphbogen zog, und als sie die kalten, harten Gesichter unter den Helmen sahen und den langen Tross von pferdegezogenen Geschützen, begriffen sie mit einem Mal die Realität des Krieges. Binnen Stunden war Paris besetzt, und obwohl Frankreich sich erst am 22. Juni ergab, war für Yvette der Tag, an dem die ersten Deutschen kamen, der Beginn ihres persönlichen Krieges. Zum ersten Mal durchzuckten sie echte Angst und ein Gefühl böser Vorahnung, dass nichts jemals wieder so sein würde wie vorher. Viel später begriff sie dann, dass an diesem Tag ihre Kindheit geendet hatte.
    »Ich konnte alles so deutlich vor mir sehen«, murmelte Fifi dicht an Yvettes Schulter. Es war jetzt dunkel, und sie konnte das Gesicht ihrer Freundin nicht mehr erkennen. »Aber sprich weiter. Haben die Nazis dich und deine Mutter sofort geholt?«
    »Nein. Doch alle Menschen ’atten große Angst, Juden wie Nichtjuden. Es war gefährlich, sich nach der Sperrstunde auf der Straße erwischen zu lassen. Mama sagte, dass wir in der Wohnung bleiben müssten und nur ’inausge’en dürften, um Essen zu kaufen. Aber es wurde mit jedem Tag schwerer, etwas zu bekommen, und manchmal mussten wir uns lange mit nur einem einzigen Laib Brot begnügen, und überall waren deutsche Soldaten. Wir ’aben uns so große Mü’e gegeben, nicht aufzufallen, denn sie ’ielten die Menschen auf der Straße an und verlangten, ihre Papiere zu se’en. Mama stahl sich manchmal davon, um mit Leuten zu reden, die sie kannte. Ich denke jetzt, dass sie damals erfahren ’aben muss, wie schlimm die Situation der Juden in Polen, Deutschland und ’olland war. Aber sie ’at mir nur wenig darüber erzählt, nur dass sie mich irgendwo in Sicher’eit bringen muss.
    Als Françoise fortgeschickt wurde, war ich neidisch«, gestand Yvette. »Sie ’atte irgendwo im Süden eine Tante, zu der sie ge’en konnte. Ich war sehr einsam ohne sie. Und einige Wochen später sagte Mama, dass ich ebenfalls fortge’en muss.«
    Die Stimme ihrer Freundin brach, und Fifi streichelte ihr die Wange, um sie zum Weitersprechen zu ermutigen.
    »Ich kann die Wohnung noch immer vor mir se’en, Mamas Gesicht und alles, geradeso, als wäre es erst gestern gewesen und nicht vor dreiundzwanzig Jahren.« Yvette seufzte. »Aber vielleicht liegt das daran, dass ich damals so plötzlich abreisen musste.«
    Sie schloss die Augen, während sie sich noch einmal die letzten Stunden in der Wohnung ins Gedächtnis rief. Sie konnte sich die Treppe hinaufgehen sehen, atemlos, weil sie durch den Regen von der Schule nach Hause gerannt war.
    Das Treppenhaus war aus Stein, mit verrosteten, verschnörkelten Geländern aus Schmiedeeisen. Das einzige Licht kam von einem Oberlicht im vierten Stock und von der Haustür, wenn sie offen stand.
    All die Gerüche aus den anderen Wohnungen – und es gab vier Wohnungen in jedem Stockwerk – blieben im Sommer im Gebäude haften, ein durchdringendes Gemisch aus Knoblauchsuppe, Käse, Kräutern, Waschlauge und manchmal

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