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Wo die Liebe beginnt

Wo die Liebe beginnt

Titel: Wo die Liebe beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Giffin
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ihnen auch persönlich sagen, wenn ich dann immer noch in Chicago lebte. Sie würden es als die glücklichste Nachricht ihres Lebens bezeichnen. Und dann wären Conrad und diese Nacht bei Janie, dieser ganze Sommer und besonders dieser Morgen längst vergessen. Heute würde sich alles ändern. Ich würde noch einmal ganz von vorne anfangen. Frisch und unbelastet.
    Ich schloss die Augen, lehnte den Kopf an das kühle Fenster und bewegte die Lippen zu den Worten, die ich schon tausendmal zuvor gehört hatte: You’ll be dancing once again and the pain will end. You will have no time for grieving.
    Am Ende aber schaffte ich es nicht, egal, wie sehr ich an meine Entscheidung glaubte und daran, dass ich jedes Recht dazu hatte. Ich beendete ein Leben, anders konnte ich es nicht betrachten. Obwohl ich es wirklich versuchte. Verzweifelt. Ich versuchte es, als ich die Formulare ausfüllte und mir Blut abnehmen ließ. Ich versuchte es, als ich das Krankenhaushemd anzog und mich untersuchen ließ. Ich versuchte es, als ich die lokale Betäubung bekam. Ich versuchte es, als ich auf dem kalten Stahltisch lag und meine Mutter mir die Hand hielt, genau wie sie es ein paar Monate später getan hätte, wenn ich mich anders entschieden hätte. Ich versuchte es, als ich die Beine in die Bügel legte und der Arzt dieses Vakuumdings anstellte, das den Inhalt meiner Gebärmutter »schonend« entfernen würde, wie er sagte, und alle im Raum aufmunternd nickten und sich auf den angeblich schnellen, schmerzlosen Routineeingriff vorbereiteten.
    Es fühlte sich aber nicht an wie »Routine«. Und es fühlte sich auch nicht an wie der »Inhalt der Gebärmutter«. Es fühlte sich an wie ein Baby. Als ich die Augen schloss, spürte ich den überwältigenden Drang zu wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war. Da war es besiegelt – und was ich wollte oder glaubte, tat überhaupt nichts zur Sache. Es war, als hätten mein Kopf und mein Herz gegeneinander gekämpft – und mein Herz hatte gewonnen. Ich riss die Beine aus den Haltebügeln und setzte mich so schnell auf, dass das weiße Papier unter mir riss. Meine Mutter und alle anderen im Raum betrachteten mich überrascht und besorgt – und vielleicht auch enttäuscht.
    Â»Ich kann das nicht tun«, sagte ich laut, aber mehr zu mir selbst als zu irgendwem sonst. »Ich kann nicht.«
    Und das war’s dann. Ich zog mich wieder an, meine Mutter und ich traten hinaus in den sonnigen Augustmorgen, und wir fuhren zurück nach Hause.

11 – Kirby
    Am nächsten Morgen klopft Marian an meine Zimmertür, als die Sonne aufgeht. Ich bin schon wach. Wahrscheinlich habe ich nur zwei Stunden oder so geschlafen, weil ich mir die ganze Nacht über Gedanken gemacht habe über das, was sie mir erzählt hat. Ich habe sogar mit meinem Smartphone nach Conrad Knight gesucht.
    Â»Tut mir leid, dass ich dich so früh aus dem Bett werfe, aber ich muss zur Arbeit«, ruft sie durch die Tür. Sie klingt total fröhlich – wahrscheinlich, weil sie weiß, dass sie mich bald los ist. »Ich hab dir einen Hafer-Molke-Proteinshake gemacht!«
    Â»Okay, ich bin gleich da!«, brülle ich zurück.
    Ein paar Minuten später, nachdem ich mir die Zähne geputzt und die Haare gebürstet habe, komme ich zu ihr in die Küche. Sie ist schon komplett angezogen, trägt ein einfaches marineblaues Kleid, hohe Schuhe und ziemlich viel Goldschmuck.
    Â»Guten Morgen«, sagt sie und reicht mir ein Glas.
    Â»Guten Morgen«, sage ich und nehme das Getränk entgegen. Es sieht unappetitlich grau aus, aber ich probiere einen Schluck und merke, dass es gar nicht so schlecht schmeckt.
    Wir setzen uns an die Kücheninsel, und wieder ist da dieses peinliche Schweigen. Schließlich sagt sie etwas, als wäre es ihr gerade eingefallen.
    Â»Ach ja. Hier, das habe ich für dich besorgt.« Sie schiebt ein Flugticket über den Tisch. »Das ist besser als der Bus.«
    Â»Ich wollte eigentlich die Bahn nehmen«, sage ich und denke an den letzten E-Mail-Wechsel mit meinen Eltern und an mein Versprechen, den Zug zu nehmen.
    Â»Ach, das dauert doch ewig. Zugfahren ist nur theoretisch angenehm. Oder im Orient-Express.«
    Â»Klar«, sage ich. Also, in meiner Familie nehmen wir ständig den Orient-Express.
    Â»Ich habe dir darum einen Direktflug nach St. Louis gebucht. Das Flugzeug

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