Wo die Liebe beginnt
Plate-Bound-Observatorium.«
Auf meine Frage hin erklärt er mir, dass die UNAVCO sich damit beschäftigt, GPS -Stationen einzurichten, mit denen die Kontinentalplatten im Pazifik vermessen werden.
»Cool!«, sage ich. Seine Antwort hat mich so verwirrt, dass ich nicht mehr weiÃ, was ich als Nächstes fragen soll.
»Ja, ich freue mich total! Ein Freund von mir hat letztes Jahr ein Praktikum dort gemacht und meint, es sei echt harte Arbeit. Man benutzt Elektrobohrer, fliegt im Helikopter herum und schleppt schweres Zeug durch die Gegend.« Er spannt seinen nicht existenten Bizeps an. »Ich muss ja ein paar Muskeln kriegen, um die Mädels im College zu beeindrucken.«
»Warum jobbst du nicht bei einer Umzugsfirma? Wäre das nicht einfacher?«
Er lacht.
»War nur SpaÃ. Das klingt echt aufregend.«
»Ja. Ist zwar harte Arbeit, aber ich lerne dadurch was über Geologie und Geophysik und komme in menschenleere Gegenden von Alaska.« Er lächelt mich unsicher an. »Da soll es total schön sein.«
Ich nicke und fühle mich plötzlich so ähnlich wie vor drei Wochen in New York, auf der Fifth Avenue und im Guggenheim und im Writersâ Room. Als mir klar wurde, wie wenig ich über die Welt eigentlich weiÃ. Und dass es wirklich tolle Sachen gibt, die das Leben so zu bieten hat.
Kurz darauf sind Jake und Belinda wieder da, mit einem riesigen Becher Popcorn, einer Packung Erdbeer-Twizzlers und zwei Bechern Cola, in denen ein Eichhörnchen ertrinken könnte. Immerhin, Belinda weiÃ, dass Jungs es nicht mögen, wenn Mädchen bloà an einem Salatblatt knabbern.
Wir betreten den ziemlich leeren Kinosaal. Philip führt uns die Stufen hinauf und wählt die erste Reihe der Loge aus. Ich setze mich neben ihn, Belinda nimmt den Platz auf meiner anderen Seite, und Jake setzt sich auÃen neben Belinda. Als ich mit Philip weiter über Alaska rede, höre ich einen Satzfetzen aus der Unterhaltung zwischen Belinda und Jake mit an. Es geht um die Vorzüge der verschiedenen Knabbereien, die man im Kino kaufen kann. Das heiÃt wohl, dass unser spontanes Date bislang besser läuft als ihr geplantes.
»Und was ist mit dir?«, fragt Philip. »Hast du schon Pläne für diesen Sommer?«
»Ich sitze in St. Louis fest. Ich arbeite im Supermarkt, als Einpackhilfe«, antworte ich. Gern hätte ich etwas Interessanteres gesagt, aber dann fällt mir ein, dass ich ja noch etwas anderes im Arsenal habe. »Ich bin aber gerade zurück aus New York City. Das war echt klasse.«
»Wow. Was hast du denn da gemacht?« Er betrachtet mich so intensiv, dass ich unruhig werde.
»Ich habe meine leibliche Mutter besucht.«
»Deine leibliche Mutter?«
»Ja, ich bin adoptiert«, erkläre ich. Ich weià genau, dass ich mich in diesem Moment damit interessant machen will.
»Ach, so ist das«, sagt er lächelnd.
»Ja, ich habe sie gerade erst gefunden. Ich habe bei der Adoptionsagentur angerufen und dort ihre Adresse bekommen. Sie wohnt in New York. Manhattan.« Irgendwie fühle ich mich ein bisschen heuchlerisch, weil ich ihm gegenüber mit meiner tollen leiblichen Mutter prahle, nachdem ich ihr genervt die teuren Kleider zurückgeschickt habe. Aber trotz allem: Sie ist meine leibliche Mutter. Und ich habe sie ganz alleine gefunden. Das ist schon ziemlich cool.
Philip lächelt mich begeistert an. Er ist beeindruckt. So ähnlich hat Mr. Tully mich auch angeschaut, aber der Blick fühlt sich anders an, weil er von jemandem kommt, der in meinem Alter ist, und weil wir in einem abgedunkelten Kinosaal sitzen und ein Date haben, mag es nun inoffiziell oder offiziell oder sonst wie sein. »Ziemlich verrückt«, sagt er.
»Ja. Sie ist Produzentin beim Fernsehen.«
Belinda, die unserer Unterhaltung mit einem Ohr zugehört hat, mischt sich ein und schüttet mir dabei Popcorn auf den SchoÃ. »Ihre Mom ist total berühmt. Kennst du South Second Street ?«
»Hab schon mal davon gehört.«
»Das ist die Serie ihrer Mutter!«, brüllt Belinda. Ich spüre Dankbarkeit für Belindas felsenfeste Loyalität und ihren Enthusiasmus. Und vielleicht auch dafür, dass sie mich zu diesem Date gezwungen hat.
Eine Sekunde später wird das Licht im Saal komplett abgedunkelt, und die Werbung beginnt. Philip zieht eine Brille mit dunklem Gestell aus der Tasche. »Ich bin blind
Weitere Kostenlose Bücher