Wo die Toten ruhen - Psychothriller
Etiketten waren für heutige Begriffe schon richtig kurios. In einer Schublade in dem größeren Schlafzimmer fand er neben einem seltsam geformten Vibrator schließlich eine Taschenlampe. Und nach weiterem Suchen hatte er auch eine passende Batterie gefunden.
Nachdem er die Batterie ordentlich in die Taschenlampe eingelegt hatte, leuchtete er hinunter in das dunkle Loch des vergessenen Obstkellers.
Spinnweben, unübersehbar und überwältigend. Unzählige Spinnen und andere Viecher bevölkerten diesen Raum. Er sah Gläser, an die er sich aus seiner Kindheit zu erinnern glaubte - so alt und vergammelt, dass nicht einmal er sich noch damit abgeben wollte. Er hatte jedoch keine Wahl.
Die wacklige Holzleiter hielt sein Gewicht, bis er unten auf dem nasskalten Boden stand. Er ließ das Licht der Taschenlampe herumhuschen und stapfte, angewidert und fasziniert
zugleich, an den staubigen Gläsern entlang durch die Feuchtigkeit, Ausschau haltend nach Schwarzen Witwen und sonstigen unliebsamen Überraschungen.
Esmé schließlich hatte diesen Keller als Zuflucht vor Einbrechern betrachtet.
Kat parkte auf der Straße und beobachtete, wie Ray aus seinem Auto ausstieg. Sie überlegte, ob sie ihm folgen und einen Blick durch die Fenster werfen sollte, um zu schauen, was er vorhatte.
»A1A Beachfront Avenue!«, dudelten die Boyz auf ihrem Handy.
»Hallo. Ich bin’s.«
»Hallo, Zak.«
»Wie wär’s mit einem chinesischen Film morgen Abend?«, schlug Zak vor. »Nicht ganz Tiger and Dragon . Eher in der Art von Man, Woman, Eat Tofu .«
»Ähm. Nie gehört«, sagte sie.
»Also, ich habe den Titel vergessen, aber es geht um einen Typ, der nicht in die Familie seiner Freundin passt. Er ist nicht das, wofür sie ihn halten. Er kann ihre Erwartungen nicht erfüllen.«
»Ist er schwul?« Normalerweise schaute sie sich keine Schwulenfilme an. Sie ging aus dem unreifen Wunsch ins Kino, sich mit einer der Hauptfiguren zu identifizieren, sie wollte eine hübsche junge Frau sein, deren Glück sich erfüllte oder die wenigstens das bekam, was Kat wollte.
»Nein, aber es gibt eine perverse Sexgeschichte. Stört dich das?«
»Mit Perversitäten in Maßen komme ich klar.« Und sie mochte auch Sex im Kino. Sie mochte bloß keine Filme mit Untertiteln. Sie verstand weder chinesische Geschichte noch französischen
Humor noch schwedische Angst. Sie stand auf riesige Produktionskosten und viele Effekte.
Inlineskater und Kino. Zak ließ sich wohl nicht leicht festlegen, was? Eines Tages würde sie die Nase in seine Vergangenheit stecken müssen und alle seine Geheimnisse erfahren, um mit ihm gleichzuziehen.
»Klingt toll«, sagte sie abgelenkt, den Blick auf das Haus gerichtet.
»Ich hol dich ab.«
Sie beendete das Telefonat und lächelte sich im Spiegel an. Eine attraktive junge Frau mit dunkler Sonnenbrille, die sich im Rückspiegel bewunderte. Kurz vor dem Anruf war sie eine Versagerin gewesen, die sich sonderbar benahm. Erstaunlich, was ein einziger Anruf alles bewirken konnte.
Vielleicht konnte sie sich für Zak ändern. Sie würde sich für den Rest ihres Lebens zweimal die Woche koreanische, indonesische und finnische Filme mit ihm anschauen und ein normales Leben mit ihm führen, wie Jacki.
Sie zuckte zusammen, denn ihr fiel wieder das Gespräch ein, das sie kürzlich mit ihrer Schwester geführt hatte und das in Berichte über ihren ständigen Schlafmangel mündete, wie langweilig es Tag für Tag zu Hause war und wie sehr sie das Putzen verabscheute. Vielleicht hatte Jacki Recht. Kat wusste nicht, was sie glücklich machen würde. Doch sie bekam allmählich ein klareres Bild davon, was sie nicht glücklich machen würde.
Sie langte nach dem Türgriff und wollte aussteigen, verharrte jedoch abrupt, als sie im Rückspiegel eine Bewegung wahrnahm.
Na, die macht aber kurze Spaziergänge, dachte Kat, und Angst um Ray stieg in ihr auf. Er würde von einem frustrierten, sabbernden Hund auf frischer Tat ertappt werden. Sie sprang
aus dem Wagen, trat auf die Frau zu und streckte sogar die Hand aus, um das gruselige Geschöpf, das ruhig neben der Frau stand, zu tätscheln. Sie wusste nichts über Hunde, lernte in den folgenden Minuten jedoch sehr viel darüber. Als ihr keine weiteren Fragen mehr einfielen, verabschiedete die Frau sich und ging auf ihr Haus zu.
Komm raus, komm raus, wo du auch bist, Ray!, rief Kat im Geiste, stand jedoch unschlüssig da und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte.
Der Obstkeller war
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