Wo die Wasser sich finden australien2
reckte die Schnauze zu dem schmalen Fensterspalt empor. Am Vormittag waren sie ohne anzuhalten am Dingo-Trapper-Hotel vorbeigefahren.
»Wir brauchen bestimmt kein Zimmer für heute Abend reservieren«, hatte Frankie lächelnd zu Peter gesagt. »Hier übernachtet praktisch nie jemand … bestimmt haben sie ein Zimmer frei, wenn wir später zurückfahren.«
Sie waren wieder verstummt und weitergefahren.
Frankie spürte ein vorfreudiges, aber auch ängstliches Kribbeln, als sie die Viehhöfe von Twelve Miles passierten … sie näherten sich Waters Meeting, aber damit auch dem Wiedersehen mit Harry und dem Ort, an dem Tom gestorben war. Frankie blickte angestrengt durch die Windschutzscheibe und wartete auf den Moment, in dem sich schlagartig der Ausblick öffnete und den Reisenden, die um die Haarnadelkurve auf dem langen Bergvorsprung bogen, oft der Atem stockte. Sie liebte diese Aussicht. Sie hatten diesen Weg seit Micks und Trudys Hochzeit nicht mehr zurückgelegt, und damals hatte das Tal nach der langen Trockenheit in grellem Gelb geleuchtet. Jetzt waren die Weiden grün, trotzdem konnte Frankie erkennen, welchen Schaden die Dürre angerichtet hatte. Wo Heu und Getreide an die Tiere verfüttert worden waren, hatten die Felder lang hingezogene
Narben davongetragen. Die Tiere waren nirgendwo zu sehen. An den Viehunterständen am Hang und in den Ausläufern der Weiden wucherte das Unkraut. Die übrigen Wiesen waren kurzgefressen und niedergetrampelt. Doch trotz alledem wirkte das Tal von hier oben aus atemberaubend. Ein leuchtend grüner Streifen, eingerahmt von dem tieferen Grünbraun des umgebenden Buschlandes.
»Wow«, sagte Peter, dem sich dieser Anblick zum zweiten Mal in seinem Leben bot.
Frankie schaute auf den silbrigen, von grünen Eukalyptusbäumen bestandenen Fluss. Er schlängelte sich durch die Flussweiden mit ihrem schweren, schwarzen Boden. Ein Hain aus grünen Pinien, silbrigen Birken, Eichen und gut mit Wasser versorgten Eukalyptusbäumen schirmte den Blick auf das Haus ab, doch dahinter konnte Frankie den Maschinenschuppen sowie die alte Scheune und den Stall ausmachen. Die Straße wand sich in die Talsohle hinab, dann war die Aussicht genauso plötzlich wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war.
Sie musste daran denken, wie sie erstmals auf dieser Straße gefahren war. Direkt nach dem College. Eine Tierärztin frisch von der Uni, der die Welt zu Füßen lag. Ehrgeizig, kokett und attraktiv, selbst im Overall. So war sie auf das Grundstück gefahren und hatte zwischen den Bäumen hindurch auf das zweistöckige Haupthaus geschaut.
»Wow«, hatte sie gesagt, als sie am Haus vorbeifuhr. Hoch hatte es über den Flusswiesen aufgeragt. Groß und erhaben hatte es ausgesehen. Die Rosen am Zaun blühten wie besessen, rund um die breiten Veranden parfümierten die Lavendelbüsche die Luft mit ihrem schweren Duft. Geranien blühten in Kästen auf dem Balkon im ersten Stock. Benommen angesichts dieses schönen Hauses und Gartens fuhr die junge Tierärztin zu den Pferchen weiter.
Es war früher Morgen, über die Berge strömte ein goldenes
Licht, das die hölzernen Einfriedungen zum Leuchten brachte. Dann sah Frankie ihn. Ihren Traum von einem waschechten Viehzüchter. Harry, der unter seinem abgewetzten Hut einen nervös und aufgeregt tänzelnden Junghengst zu beruhigen versuchte. Er lächelte sie an, während das Pferd um ihn herumtrippelte. Es war ein boshaftes Lächeln, das zahllose kleine Fältchen in seine Augenwinkel zauberte. »Sie sind bestimmt die Tierärztin«, grinste er.
Im selben Moment spürte Frankie ein erotisches Ziehen in ihrem Unterleib. Eine so starke Begierde, dass sich ihre Wangen hektisch röteten. Als sie Harrys Hand schüttelte, meinte sie, einen elektrischen Schlag zu bekommen.
Der Junghengst war ihre erste Kastration, seit sie ihren Abschluss gemacht hatte. Die Operation lief nicht wirklich glatt, aber das schien Harry nicht zu stören. Er verbrachte die Zeit hauptsächlich damit, neben ihr zu lehnen und ihren Duft einzuatmen, während sie mit gesenktem Kopf und zitternden Händen den Faden in die gebogene Nadel einführte.
Sie hörte auch keinen Groll in Harrys Stimme, als er wenige Tage darauf anrief und sie bat, noch einmal vorbeizukommen und eine Infektion des Wallachs zu behandeln. Während sie den Eiter wegwischte, die Wunde desinfizierte und das Pferd spritzte, spürte sie wieder Harrys Nähe, der mit kräftigen Händen das Seil um den Hals des Tieres hielt. Sie
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