Wo die Wasser sich finden australien2
traurig, wenn sie so betrunken war. Sie sehnte sich nach Liebe. Nach ihrem Zuhause. Nach einem Wiedersehen mit Charlie Lewis. Tom saß schweigend neben ihr, und obwohl sie einerseits seine Nähe tröstlich fand, ließ ihr andererseits seine so allumfassende Trauer eine Gänsehaut über den Rücken laufen.
Sie hatte angenommen, dass er überglücklich wäre, nachdem Sally sich so enthusiastisch bereit erklärt hatte, ihnen bei dem Geschäftsplan für Waters Meeting beizustehen, aber stattdessen spürte sie, wie er sich in seine eigene Welt zurückzog. Jedes Mal, wenn sie ihn nach Harry fragte, verstummte
Tom. Er weigerte sich eisern, darüber zu spekulieren, welche Zukunft ihr Vater für sie beide und die Farm vorgezeichnet hatte. Rebecca wurde das Gefühl nicht los, dass Toms Depression mit ihrem Abschied von Waters Meeting zusammenhing. Sie beschwor ihn, sich für das kommende Semester am Landwirtschaftscollege einzuschreiben, aber Tom stocherte nur mit den abgewetzten Reitstiefeln im Staub und schüttelte den Kopf.
»Ich habe darüber nachgedacht, Bec, aber wenn ich die Farm tatsächlich verlassen würde, um zu studieren, dann würde ich Kunst studieren … nicht Agrarökonomie.«
»Was hält dich davon ab?«, platzte es aus Rebecca heraus.
Tom kippte seinen Drink hinunter, schüttelte den Kopf und klappte wortlos den Mund zu. Dann schlang er den Arm um seine Schwester und legte den Kopf auf ihre Schulter. Offenbar hatte der Alkohol Toms Zunge gelockert, dachte Bec. Sonst erzählte er nie von seiner Liebe zur Kunst. Bec wusste, dass er ab und zu Zeichnungen anfertigte, die er dann vor seiner Familie versteckte – vor allem vor Harry, vermutete sie.
Sie erinnerte sich noch an den Tag, an dem sie ein Bündel Blätter gefunden hatte – größtenteils wunderschöne Bleistiftzeichnungen von ihren Hunden, von Pferden oder Rindern. Sie hatte sie in Toms Schrank entdeckt. Als sie Tom darauf angesprochen und ihm erklärt hatte, wie schön sie die Zeichnungen fand, hatte er sich in einen Wutausbruch gesteigert, die Blätter vor ihren Augen in Fetzen gerissen und war dann aus dem Haus gestürmt. Erschrocken über seinen plötzlichen Zornesausbruch, hatte sie sich weinend auf den Boden gesetzt und versucht, die Blätter wieder zusammenzukleben. Allein der Gedanke an Toms dunkle Seite verursachte ihr manchmal höllische Angst. Und so saß sie auf der Rodeotribüne direkt neben ihrem verunsicherten Bruder, während die Welt um sie herum verschwamm. Den Blick
starr nach vorn gerichtet, versuchte sie ihr Gehirn auszuschalten. Es war alles so verdammt schwer zu kapieren.
Nachdem die Sieger des Rodeos ihre Gürtelschnallen überreicht bekommen hatten, stiegen Bec, Sal, Gabs, Emma und Tom in eines der Taxis, die an der Straße durch das College standen. Die Fahrer hatten in der grellen Nachmittagssonne auf Studenten gewartet, die in das dunkle Pub in der Stadt gefahren werden wollten. An einem Sonntagnachmittag waren sonst nur wenige Fahrten zu ergattern.
Im Pub machte die Barbesatzung bereits alle Luken dicht und sich auf den Ansturm von mehr als hundertfünfzig betrunkenen Landwirtschaftsstudenten gefasst.
In der rauchigen Bar spürte Bec, wie eine Lassoschlinge über ihre Schultern fiel und zugezogen wurde. Am anderen Ende des Seiles stand Paddy. Er schleifte sie quer durch die betrunkene, grölende Menge. Gemeinsam kletterten sie auf einen Tisch, dann begann Paddy sie zu versteigern.
Sie wurde von einem Studenten im dritten Jahr ersteigert und brachte den restlichen Abend damit zu, sich unter dem Pooltisch vor ihm zu verstecken. Um drei Uhr nachts saß sie auf dem Parkplatz eines Tag und Nacht geöffneten Einkaufszentrums in einem Einkaufswagen, der von Gabs geschoben wurde. Um vier Uhr morgens fand sie sich am Straßenrand wieder, wo sie einen interessanten Mix aus Country Mints und Hotdogs in den Gully würgte. Danach steckte Tom sie allesamt in ein Taxi.
In ihrem winzigen Schlafraum sah Rebecca, bevor sie bewusstlos auf ihr Bett krachte, Tom noch voll angezogen neben der komatösen Sally liegen. Er sah sie mit großen Augen an. Dicke, stille Tränen tropften von seinen Wangen, während er Sallys Haar und Gesicht streichelte.
Kapitel 21
Der Hotdog war innen noch kalt, aber Rebecca stopfte den letzten Bissen ungerührt in ihren Mund. Die Frau in der Collegemensa verschränkte die Arme vor dem sackartigen Busen und meinte freundlich: »Nicht gut drauf heute, Liebes?«
»Höllenkater«, murmelte Bec und spürte, wie
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