Wo die Wasser sich finden australien2
wachte Frankie nach dem vielen Champagner und Wein mit ausgetrocknetem Mund auf. Während sie im Bad durstig ein Glas leerte, fiel ihr das Wasser wieder ein. Das Wasser in ihrem Traum, das tosend durch das Flussbett geschossen kam. Weiter unten lag in einem Strudel abseits der Strömung ihr nackter Sohn Tom mit weißer Haut und dem Gesicht nach unten im Wasser, umspült von Blättern und Zweigen. Sie schüttelte den Traum aus ihrem Kopf und kehrte ins Bett zurück, wo sie sich fest an Peters warmen Rücken schmiegte.
4. Teil
Kapitel 26
Rebecca blickte mit zusammengekniffenen Augen aus Charlies altem Holden Pick-up auf die Bäume und das rote Dach in der Ferne. Haus und Nebengebäude waren von einer breiten Schneise aus grünen Weizenfeldern umgeben, die sich neben akkuraten Reihen von Baumwollpflanzen bis zum Horizont erstreckten. Kein Zaun trennte die verschiedenen Felder, nur kerzengerade Bahnen nackter, aufgeplatzter Erde oder der Buckel eines Dammes von einem Bewässerungskanal.
»Du hast erzählt, dass euer Haus auf einem Hügel steht!«, beschwerte sich Rebecca. »Nennst du das etwa einen Hügel?«
»Natürlich ist das ein Hügel … siehst du das nicht?« Charlie jagte den Pick-up ohne abzubremsen über den Rost und murmelte: »Nur weil bei euch höchstens ein paar Ziegen grasen können.«
Bec schlug ihm tadelnd auf den Oberschenkel. Er legte den Arm um ihre Schultern und küsste sie energisch auf den Scheitel. Er fand es aufregend, sie nach Hause mitzunehmen. Das hatte er lang genug hinausgezögert. Rebecca hatte ihn gedrängt, ihr die Farm seiner Familie noch während des Semesters zu zeigen, doch es war ihm gelungen, sie bis zum Ende des Universitätsjahres hinzuhalten.
Sobald er das Haus seiner Eltern in der Ferne stehen sah, spürte Charlie, wie sich seine Schultern verspannten. Schon jetzt wusste er, was seine Mutter von dem Mädchen halten würde, das neben ihm im Pick-up saß. Er warf einen Blick auf Bec. Sie war braun wie Schokolade. Die Bräune saß tief in ihren schlanken, kräftigen Armen und den Schultern. Sie
trug ein weiches blaues Trikothemd im gleichen Farbton wie ihre Augen und ihre verblichenen Bluejeans, dazu einen klobigen Ledergürtel und ihre alten treuen Cowboystiefel. Der durchs Fenster wehende heiße Fahrtwind hatte ihre Haare zerzaust und aus dem Pferdeschwanz gezerrt. Sexy, dachte Charlie. Allerdings erwartete seine Mutter, wie er genau wusste, dass er ein Mädchen heiratete, das nicht nur für ihn sorgte, sondern auch für seine Wäsche, seine Mahlzeiten, seinen Garten und seine Kinder. Kein Mädchen wie Bec, das unabhängig war und »null Bock auf Rüschen« hatte, wie sie es ausgedrückt hatte, als sie sich an diesem Morgen anzog.
Rüschen, dachte Charlie. Rüschen. So oft hatte ihn seine Mutter sonntags in die Kirche geschleift und dort junge Mädchen in Blütenröcken und Rüschen angeschleppt. »Nette Mädchen«, wie Mrs Lewis sie nannte. Ausnahmslos Töchter irgendwelcher Bekannten aus der Kirche. Jedes Mal hatten sie in ihren langen Röcken und Strickwesten vor ihm gestanden und mit großen Augen und voller Hoffnung in Charlies gleichmäßiges Gesicht aufgesehen. Manchmal fragte sich Charlie, warum sich diese Mädchen nicht gleich die Worte »Heirate mich und mach mir Kinder« auf die Stirn tätowieren ließen. Einmal hätte er das um ein Haar zu seiner Mutter gesagt. Stattdessen ließ er diese Verkuppelungsversuche stoisch über sich ergehen und spielte sogar mit, um sich die Nörgeleien seiner Mutter zu ersparen.
»Mrs Conninghams Alice ist ein wirklich hübsches Mädchen, findest du nicht auch?«, sagte Mrs Lewis beispielsweise, während sie im Gemeindesaal aus einer angeschlagenen Tasse dünnen Tee mit Milch nippte.
»Sie ist in deinem Alter, Charlie. Du könntest sie doch irgendwann nach dem Sonntagsgottesdienst zum Mittagessen bei uns einladen.«
Charlie stöhnte zwar insgeheim auf, doch er erklärte seiner Mutter, dass er am Sonntag mit Reparaturarbeiten beschäftigt
sei. »Das Ersatzteil kommt irgendwann diese Woche, und ich kann es nur am Sonntag einsetzen«, log er dann.
Überraschenderweise glaubte ihm seine Mutter immer wieder. Sie hatte keine Ahnung von den Alltagsarbeiten auf dem Feld und den Landmaschinen auf ihrer Farm. Sie kannte nicht einmal die Namen der verschiedenen Weiden auf ihrem Grund und Boden. So war das eben bei ihnen. Das Haus war ihr Reich, in dem sie unangefochten herrschte wie eine Bienenkönigin. Die Farm hingegen war rein
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