Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Wo die Wuerfel fallen

Titel: Wo die Wuerfel fallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Seidel
Vom Netzwerk:
Jahrhundert in Westeuropa. Der römische Mönch Dionysius Exiguus (ca. 500 – 550) führte sie in seiner 525 hergestellten Ostertafel ein. Seit 532 gilt das dabei errechnete Geburtsjahr Christi als Anfang der christlichen Zeitrechnung. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts übernahmen auch die britannischen und irischen Mönche, die in Deutschland missionierten, diese Zeitrechnung. Bis dahin war meist nach Herrschaftsjahren von Kaisern oder Päpsten datiert worden. (Etwa auf Urkunden: »Gegeben im zehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Augustus.«) Dadurch gab es eine Vielzahl regional oder lokal verschiedener Zeitrechnungen (die auch weiterhin in Gebrauch blieben). Aber gelehrte Männer wie der Friesen-Apostel Willibrord oder Beda Venerabilis (in seiner
Kirchengeschichte
) ließen nur eine Ära und eine Zeit gelten, weil sie nur einen Weltenherrscher anerkannten – Christus, den Herrn. Dessen Herrschaft über die Menschheit hatte im Jahr seiner Geburt begonnen und würde bis zum Jüngsten Tag dauern.
    Von Gottes Gnaden
    Lateinisch
gratia Dei
gehört seit dem Erwerb der langobardischen Königskrone durch Karl den Großen (774) zur Titulatur europäischer Herrscher; in Europa sahen sich alle Herrscher als »von Gottes Gnaden« eingesetzt, jedoch nicht als »Stellvertreter Gottes« wie in Byzanz.
    Seit den Karolingern wurden die europäischen Könige gesalbt, was dem Ritual einer Bischofsweihe entspricht. Im Vergleich dazu stand in Byzanz die Krönung im Vordergrund. Das »Auszeichnen« mit einem (Lorbeer-)Kranz oder Diadem (griechisch = das [um die |66| Stirn] Gebundene) entsprang römisch-antiker Tradition. Auch die Bibel kennt keine Königskrönungen. David zum Beispiel wird bei der alttestamentlichen Königsweihe gesalbt. Für einen christlichen König war nicht unwichtig, dass das Wort
Christos
im Griechischen, genauso wie
Messias
im Hebräischen, »der Gesalbte« bedeutet. Aus dieser Tradition kommt die Vorstellung vom Gottesgnadentum. Karl der Große legte sich bei der Salbung in Aachen den Titel »von Gottes Gnaden« zu, der sonst nur vom Papst verliehen wurde, und ließ sich am Hof mit »König David« anreden. Die Salbung spielte auch deswegen eine so große Rolle, weil sie neben der biblischen Tradition an die altgermanischen Vorstellungen von der besonderen, von den Göttern begnadeten Auserwähltheit der Königssippe anknüpfte.

Geistliche & weltliche Macht
    Schisma
    1054 »spaltete« sich die bis dahin noch einheitliche Christenheit auf. Die Westkirche (in Rom) und die Ostkirche (in Konstantinopel) »trennten« sich. Genau diese Wortbedeutung steckt in dem griechischen Wort
Schisma
. (Griechisch
schizein =
spalten steckt auch in dem medizinischen Begriff für Bewusstseinsspaltung, Schizophrenie.)
    Der Anlass für die Spaltung war vergleichsweise banal, allerdings war ihm ein jahrhundertelanger Prozess der Entfremdung vorausgegangen. Wegen einer eher tagespolitischen Streitfrage um theologische Gepflogenheiten im von den Normannen eroberten, ehemals byzantinischen Unteritalien wurde eine päpstliche Gesandtschaft nach Konstantinopel geschickt. Nachdem keine Einigung erzielt werden konnte, legte der jähzornige Kardinal Humbert, der die Verhandlungen auf eine sehr provokante Weise führte, auf dem Altar der Hagia Sophia eine vom Papst unterzeichnete Urkunde nieder. In dieser exkommunizierte der Papst den Patriarchen Kerullarios. Der Patriarch exkommunizierte daraufhin seinerseits den Kardinal. Damit war der Bruch zwischen Rom und Byzanz, die Spaltung in das |67| römisch-katholische und das griechisch-orthodoxe Christentum vollzogen.
    Dictatus Papae
    Das berühmte Dokument aus dem Jahr 1075 besteht aus einem einzigen Blatt Papier mit genau 27 Sätzen. Es heißt »Diktat des Papstes«, weil Papst Gregor VII. (reg. 1073 – 1085) es vermutlich höchstpersönlich formulierte und einem Schreiber diktierte. In aller Deutlichkeit wurde hier der universale Herrschaftsanspruch des Papstes zum Ausdruck gebracht: »Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen« durften, dass nur er Bischöfe und Äbte einsetzen durfte, dass es ihm erlaubt war, Kaiser abzusetzen, dass nur er kanonisches Recht setzte, er von niemandem gerichtet werden konnte und einiges mehr.
    Politische Sprengkraft enthielt der
Dictatus
, weil er den weltlichen Herrschern das Recht abstritt, Bischöfe und Äbte in ihr Amt einzusetzen, was bis dahin gang und gäbe war. Das wurde zum Auslöser für den
    Investiturstreit
    Anlässlich der Neubesetzung

Weitere Kostenlose Bücher