Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
»Ich glaube allerdings nicht, dass irgendjemand sonst das so sieht. Aber in Island sagt man: Solange man selbst dran glaubt, ist es auch wahr.«
Aus Angst wurde ein Museum
»Was machst du morgen?«, fragt Gisli am Telefon. Und lädt mich auf die Eröffnungsfeier eines neuen Museums an der Südküste ein. Und so stehen wir am Abend darauf in einem kleinen Haus an der Ringstraße, das früher einmal eine Autowerkstatt war. Eyjafjallajökull steht draußen in großen Lettern. Drinnen gibt es magmarote Säfte in Plastikbechern und Sprite mit Trockeneis, das qualmt und brodelt. Der Inhaber des Museums trägt ein schwarzes Hemd und einen roten Schlips. Sein Name ist Ólafur Eggertsson. Er ist einer der Bauern, der bei dem Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull um seinen Hof fürchten musste, der am Fuße des Vulkans liegt. Es war schlimm. Mehrfach wurden sie evakuiert. Die Bauernfamilie war verzweifelt. Drei oder vier Wochen lang war nicht klar, ob sie ihren Hof Þorvaldseyri verlieren würden.
Doch was machten sie aus diesem Schicksal? Das Beste! Jetzt, genau ein Jahr nach dem Ausbruch, eröffnet Ólafur mit seiner Familie ein kleines Dokumentationszentrum. Dort werden Fotos gezeigt und ein 20-minütiger Film über den Ausbruch und das Bangen um die Farm. Denn Ólafur hatte geistesgegenwärtig
an einem der ersten Tage des Ausbruchs einen Filmemacher gebeten, alles zu dokumentieren. Der Film ist mitreißend. Der Vulkan klingt wie ein Feuerwerk. Man sieht Lavabrockenregen und dann Aschewolken, die in die Höhe quellen. Blitze. Die ganze Urgewalt des Teufelsbergs unter dem Gletscher. Kühe und Pferde müssen reingeholt werden. Der Himmel ist schwarz wie die Nacht und die Farm wie lebendig begraben. Doch sie überlebt. Am Ende kommt die Familie zurück. Wischt die Asche von den Fenstern, fegt sie von den Dächern, schippt sie mit der Hilfe vieler Helfer schubkarrenweise vom Hof. Es ist eine unendliche Arbeit. Aber eine mit einem guten Ende. Heute haben sie durch den Ausbruch eine neue Heißwasserquelle und sogar das Gras ist nach dem Ausbruch noch besser nachgewachsen als vorher.
Zwischendrin gibt es in dem Film auch etwas zu lachen. Der Filmemacher hat einen Zusammenschnitt beigefügt, in dem Nachrichtensprecher weltweit an der Aussprache des Namens des Vulkans scheitern. In den Souvenirshops rund um Island kann man heute T-Shirts kaufen, auf denen steht: »Eyjafjallajökull lässt sich doch ganz leicht aussprechen: Ay-uh-fyat-luh-yoekuutl-uh« (wobei das die englische Lautsprache ist). Auch hier im neuen Dokumentationszentrum gibt es Andenken an den Ausbruch. Am Tresen liegen Postkarten, die die Aschewolke zeigen, außerdem gibt es Vulkanasche in kleinen Fläschchen, Schokolade, die wie Lavafelder aussieht, und das Parfum »EFJ«, das eine isländische Künstlerin kurz nach dem Ausbruch kreiert hat.
Anschließend gibt es Vorträge und rote Blumen. Bauer Eggertsson bedankt sich bei allen, die geholfen haben, und seine Frau trägt Gedichte vor, die sie über den Vulkan geschrieben hat. »Ihr Vater«, raunt mir jemand im Publikum zu, »war der schnellste Dichter Islands.« Etwas später komme ich mit jemandem ins Gespräch, der zu DDR-Zeiten in Rostock Schiffstechnik
studiert hat und später in Westberlin physikalisches Ingenieurswesen. Ich bin beeindruckt, es wird nicht viele Leute geben, die in beiden deutschen Systemen studiert haben. »Ja«, sagt der Mann in perfektem Deutsch. »Einen interessanteren Mann als mich werden Sie in Island nicht finden.«
Kurz darauf wird mir Magnús Tumi Guðmundsson vorgestellt. Er ist Professor für Geophysik an der Universität von Island und somit einer der bekanntesten Vulkanexperten. Sein Bruder ist witzigerweise ebenfalls berühmt: Er ist der Notenbankchef, weshalb man die beiden während des Vulkanausbruchs »Mr. Ash« und »Mr. Cash« nannte. Und scherzhaft daran erinnerte, dass Island vor allem »Cash« brauche und keine Asche.
Ob man als Geophysiker nicht einen Traumjob habe in Island?, frage ich ihn. Schließlich hatte ich gehört, dass die Isländer in den ersten Tagen des Ausbruchs froh waren, dass es in den Nachrichten endlich mal wieder um Vulkane ging und nicht bloß um die Krise. Er sagt: »Wenn man 25 Jahre alt ist, ist man als Wissenschaftler auf jeden Ausbruch scharf. Aber später wird einem mehr und mehr bewusst, dass es vor allem darum geht, sich um die Menschen zu kümmern.« Die Leute so gut wie möglich zu informieren, sei das Wichtigste. »Aber wir wissen in
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