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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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solchen Situationen auch oft nicht, wie lange der Vulkanausbruch noch geht«, so der Experte. Wichtig sei es dann, nah bei den Leuten zu sein und ihnen Mut zu machen. In diesem Moment kommt der »interessanteste Mann Islands« an mir vorbei und flüstert mir zu: »Du sprichst da übrigens gerade mit einem der besten Geophysiker in Europa!«
    Es ist alles noch beim Alten, denke ich. Selbst wenn die Welt sich noch so verändert, geben die Isländer nicht auf, schon gar nicht ihren positiven Geist. Es erinnert mich an etwas, das Gisli
mir einmal erklärt hat. »Erdbeben«, hatte er gesagt »sind in Island nicht so schlimm, weil die Erdkruste dünner und offener ist und damit flexibler. Bei Erschütterungen bewegt sie sich einfach mit.« Was für ein schönes Sinnbild für das Leben hier, denke ich. Wenn es in Island rumst, bewegt das Land sich mit.
    Bevor ich es vergesse: Auch beim Phallusmuseum in Húsavík hat es eine Veränderung gegeben. Seit April 2011 zählt endlich das werte Teil eines Homo sapiens zur Sammlung. Sigurður Hjartarsons Freund Páll Arason hatte bereits vor etlichen Jahren zugestimmt, die Ausstellung nach seinem Tod mit seinem Glied »abzurunden«, so Sigurður in einem Zeitungsbericht. Und das ist nun – Gott habe Páll Arason selig – geschehen.

Legenden, die das Leben schrieb
    Auf dem Rückweg fahre ich im Sagazentrum in Hvölsvollur vorbei. Ich habe noch ein paar Fragen zur mittelalterlichen Literatur. Denn die mündliche Erzähltradition der Isländer, die vermutlich durch die gekidnappten Iren beflügelt wurde, in allen Ehren. Aber wie kommt es, dass sie darüber hinaus mit den Sagas eine in Europa einzigartige Literatur geschaffen haben? Eine Art Vorläufer des historischen Romans, der zum Teil auf wahren Begebenheiten basiert, mit feinen Charakterstudien, vielschichtigen Persönlichkeiten und ausgefeilten Dialogen? Und das noch dazu in einer Zeit, in der man froh sein konnte, überhaupt zu überleben, und in einem Klima, das sich nicht gerade optimal dafür eignet, um Handschriften aufzubewahren?
    Der Wind pfeift und heult um das Sagazentrum als ich dort ankomme. Doch der Direktor Sigurður Hróarsson trägt trotzdem dreiviertellange Hosen und Sandalen, weil er mit einem schönen Frühlingstag gerechnet hatte. Er kommt ursprünglich aus dem Norden von Island, hat in Amerika und Reykjavík Schauspiel studiert und isländische Literatur. Er war Dozent an der Uni, hat
als Journalist gearbeitet und war viele Jahre lang der Leiter von zwei isländischen Theatern. Warum um alles in der Welt haben die Isländer angefangen, in einer freien Form zu schreiben, die Geschichte und Literatur vermischt?, frage ich ihn beim starken isländischen Kaffee. »Es ist ein Rätsel und es gibt keine einfache Antwort«, sagt Sigurður, der wilde, blonde Locken hat und dazu eine schwarze Brille trägt. Aber er habe Gedanken und Theorien dazu. Und so kommen wir ins Gespräch über die Faktoren, die die mittelalterliche isländische Literatur beeinflusst haben, die vor allem im 12. und 13. Jahrhundert niedergeschrieben wurde. Und das in isländischer Sprache, während fast jeder, der zu dieser Zeit das Schreiben lernte, auf Latein schrieb.
    Denn wer konnte damals schreiben? Anfangs waren das vor allem die Geistlichen, die von der Kirche dazu ausgebildet wurden. »Und sie schrieben das, was die Obrigkeit von ihnen verlangte«, so Sigurður. »Und das war das Christentum und seine Pracht.« Doch genau an dieser Stelle kommt eine isländische Besonderheit zum Tragen: Nämlich die Tatsache, dass die Einführung des Christentums in Island spät und friedlich verlief. Während man auf dem europäischen Kontinent alles daransetzte, jegliche Zeugnisse des Heidentums zu zerstören, weil sie des Teufels waren, war man in Island nicht so streng. Und so erzählte man sich die heidnischen Mythengeschichten trotzdem weiter. Was eine der Grundvoraussetzungen für die heutige Existenz der Edda , also der Götter- und Heldenlieder und Legenden aus der nordischen Mythologie ist. Denn aufgeschrieben wurden sie im 13. Jahrhundert ausgerechnet von christlichen Gelehrten. Und weil die wussten, dass das nicht dem entsprach, was der ferne Papst in Rom wollte, schrieben sie vermutlich heimlich und auf Isländisch. Auf so einer abgeschiedenen Insel hatte man eben schon immer etwas mehr Narrenfreiheit.

    Außerdem passt das zu Sigurðurs Theorie, weshalb die Autoren der Sagas größtenteils unbekannt blieben: »Es waren gebildete Autoren,

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