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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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auf Dauer unvernünftig ist, den Einheimischen im besetzten Land nicht einmal Bürgerrechte zu verleihen. Schulpflicht und Wahlrecht sind nur für die dort lebenden Franzosen da. Einmischung von außen ist nicht erwünscht, es handelt sich nur um eine » innerfranzösische Angelegenheit«. Wischnewski ist Mitte dreißig, Jungsozialist. Er hat ein Problem. Einerseits ist sein Verhältnis zu Frankreich und den dortigen Parteikollegen exzellent, andererseits werden in Algerien gerade hunderttausende Bauern von den Franzosen deportiert und riesige Kampfzonen eingerichtet, in denen ohne Vorwarnung geschossen, bombardiert und verhaftet werden darf. Die Berichte und Bilder aus dem umkämpften Vasallenstaat der Franzosen schockieren ihn, er stellt sich auf die Seite der algerischen Unabhängigkeitsbewegung.
    Von deren Anhängern gibt es allerdings mehrere Untergruppen, und die sind wie üblich zerstritten. In Bonn (für die jüngeren Leser: Diese Stadt am Rhein war einmal Hauptstadt der BRD) bekommt Wischnewski einen unerwarteten Anruf eines Algeriers aus Frankreich. Es sei noch ein bisschen Geld für den Befreiungskampf da, aber das sei ja in Paris nicht mehr sicher, und man kenne sich doch, er solle bitte ein Konto in Deutschland einrichten. Eine haarige Angelegenheit, schließlich darf das niemand mitbekommen. Also wird das Geld auf Wischnewskis Privatkonto überwiesen, worauf sofort die Bank bei ihm anruft und wissen will, ob er einen bestimmten Namen kenne. Nein, kenne er nicht, sagt er, und will auflegen. Wischnewski erinnert sich in seinen Memoiren an die Antwort der Bank: » Der Mann, den Sie nicht kennen und mit dem Sie nichts zu tun haben wollen, hat gerade mehr als 1,8 Millionen DM auf ihr Konto überwiesen.« Er hatte die Kriegskasse der Algerier auf seinem Konto.
    Die Blutsbrüderschaft mit den Arabern war besiegelt, er wurde zum Old Shatterhand Arafats. Die guten Verbindungen, zu denen spätere deutsche Auslandspolitiker völlig unfähig waren, bestanden ein ganzes Leben lang. Ein halbes Jahr vor seinem Tod nahm Ben Wisch, im Rollstuhl sitzend, an der Beerdigung des legendären PLO-Chefs teil.
    Aber auch große Helden haben Mütter. Sie ist zwar nicht in der SPD, aber sie sorgt sich um die Belange ihres Sohnes wie jede Mutter. Während eines Wahlkampfs marschiert sie in das Parteibüro und beschwert sich bei Wischnewskis Kollegen: » Haben Sie noch nicht bemerkt, dass das Plakat meines Sohnes am Neumarkt zerstört ist?« Und wenn sie ihren Jungen im Altersheim ab und zu im Fernsehen sieht, ermahnt sie ihn anschließend, doch bitte keinen Quatsch zu reden, » sonst muss ich mich ja schämen«.
    Nachkriegspolitiker sind der älteren Generation bekannt durch die Tagesschau der sechziger Jahre. Der jüngeren Generation aus sogenannten History-Dokus, wo zerfurchte Vorzimmerdamen vor schwarzen Vorhängen sitzen und zwischen verwackelten Schwarz-Weiß-Aufnahmen Anekdoten von früher erzählen. Doch im Gegensatz zu anderen ist Ben Wisch etwas in Vergessenheit geraten. Während sich Bundeskanzler und Oppositionsminister vor den Kameras präsentiert haben, war Wischnewski lieber unterwegs. Natürlich meistens in heikler Mission.
    Militärputsch in Chile. Präsident Allende ist von Pinochets CIA-geschulten Schergen umgebracht, Wischnewski fährt hin und befreit deutsche Staatsbürger und rettet nebenher noch einige Chilenen, die sich in andere Botschaften geflüchtet hatten.
    Bürgerkrieg in Nicaragua. Wischnewski handelt das Abkommen über den Waffenstillstand aus. Man nennt ihn in Lateinamerika » Commandante Hans«.
    Jordanien, September 1970, genannt » Schwarzer September«. Drei Flugzeuge sind von Palästinensern entführt worden und sollen mit den Passagieren gesprengt werden. Die Maschinen stehen 60 Kilometer nordöstlich von Amman auf einem provisorischen Wüstenflughafen, den die Palästinenser » Gaza Airport« nennen. Wischnewski fliegt hin, verhandelt, die Geiseln werden freigelassen, Minuten später fliegen die Maschinen in die Luft.
    Libanon, am Vorabend des Bürgerkriegs. Wischnewski will den Sohn einer deutschen Familie befreien. Bei seiner Abreise aus dem Libanon sind die diplomatischen Beziehungen mit dem arabischen Land wieder aufgenommen. Aus der Befreiungsaktion für einen einzigen Menschen wird eine Staatsfreundschaft.
    Und als Höhepunkt seines Lebens:

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