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Wo ist Thursday Next?

Wo ist Thursday Next?

Titel: Wo ist Thursday Next? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Fforde
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tiefblauen Zweireiher mit dunkler Krawatte und einer Perle als Krawattennadel. Sein Haar war lang, aber sehr glatt gebürstet. Es schien ziemlich üppig, so dass er die reichlich auf seinen Wangen sprießenden Haare zu kleinen Zöpfchen geflochten hatte, die am Ende mit blauen Schleifen gesichert waren. Andererseits hatte er so freundlich blickende, wenn auch ziemlich tief liegende Augen, dass ich mich in seiner Gesellschaft sofort wohl fühlte.
    »Was meine ich wozu?«
    »Na, dazu«, sagte er und wedelte mit seiner haarigen Hand in Richtung der neuen BuchWelt.
    »Nicht genügend Klaviere«, sagte ich, nachdem ich einen Augenblick nachgedacht hatte. »Außerdem wäre es nicht schlecht, ein paar mehr Enten zu haben   – und weniger Affenbrotbäume.«
    »Ich hätte es lieber noch mehr wie die RealWelt«, sagte der rothaarige Gentleman mit einem Seufzer. »Unser Dasein erinnert doch stark an ein Leben aus zweiter Hand. Ich würde nun mal gern wissen, wie der Mistral riecht, wie sich Stoffe bewegen und anfühlen und was einen Sonnenuntergang oder den gesummten Chor aus
Madame Butterfly
so besonders macht.«
    Das konnte ich ihm durchaus nachfühlen. »Also was mich interessieren würde, ist das Prasseln des Regens auf einem Blechdach. Oder der Nebel, der in der kalten Morgenluft von einem See aufsteigt«, sagte ich.
    Wir schwiegen einen Augenblick, während der Straßenbahnwagen dahinrumpelte. Ich sagte ihm nicht, dass ich mich vor allem anderen nach einem ganz spezifischen, allerdings stark unterschätzten Luxus der menschlichen Rasse sehnte   – dem freien Willen. Mein Leben war per definitionem vollkommen vorherbestimmt. Ich musste tun und sagen, was für mich aufgeschriebenwar, ich musste ohne jede Abweichung Tag für Tag wiederholen, was in meinem Text stand, wann immer mich jemand las. Auch wenn es solche Unterhaltungen wie die mit dem rothaarigen Gentleman gab, wo ich nicht nur erzählen musste, sondern auch mal philosophisch sein durfte, wurde ich nie das Gefühl los, dass irgendjemand all meine Regungen kontrollierte und jeden Gedanken belauschte.
    »Na ja, wenn man da draußen in der Welt von Asphalt und Herzschlag atmen muss, besteht das Leben sicher auch nicht nur aus heißen gebutterten Hörnchen mit Marmelade«, sagte ich um der Ausgewogenheit willen.
    »Oh, ja. Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, erwiderte der rothaarige Gentleman, der seine nussbraunen Hände zur Faust geballt hatte, so dass die Knöchel sich spannten. »Trotz all der grenzenlosen Farbe, Tiefe, Kühnheit, Leidenschaft und Heiterkeit sieht es so aus, als ob die RealWelt keinerlei erkennbaren Zweck hätte.«
    »Nicht, dass weitaus klügere Köpfe als wir nicht versucht hätten, einen zu finden.«
    Die Fachleute stritten sich über diese Frage schon lange. Manche waren der Ansicht, die RealWelt sei nur dazu da, um uns zu erschaffen, während andere behaupteten, die RealWelt habe durchaus einen Sinn, den bislang allerdings noch niemand entdeckt habe. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern vertrat die Theorie, die RealWelt sei eigentlich gar nicht real, sondern nur ein weiteres Buch in einer noch größeren Bibliothek. Die Nihilisten aus der Philosophie setzten sogar noch einen drauf, indem sie erklärten, die Realität sei genauso irrelevant, wie sie erscheine.
    »Unbestritten«, sagte mein neuer Freund, nachdem wir das alles abgehakt hatten, »unbestritten ist allerdings, dass die Leser uns genauso brauchen wie wir sie   – schon um Ordnung in ihr offensichtliches Chaos zu bringen.«
    »Wer sind Sie eigentlich?«,
fragte ich; denn ich war es absolut nicht gewohnt, in der Linie 23 solche Fragen zu diskutieren.
    »Jemand, der unrettbar verloren ist, Miss Next. Ich habe schreckliche Dinge getan.«
    Bei der Erwähnung meines Namens fuhr ich zusammen und wurde plötzlich sehr misstrauisch. Unsere zufällige Begegnung war also gar nicht so zufällig. Aber das ist in der Literatur meistens so. Andererseits hatte er wahrscheinlich gedacht, dass ich die
echte
Thursday Next wäre.
    »Sir, ich bin nicht die echte.«
    Er sah mich an und lächelte. »Sie sind sich ähnlicher, als Sie vermuten.«
    »Körperlich vielleicht«, sagte ich. »Aber beim Jurisfiktion-Training bin ich durchgefallen.«
    »Gelegentlich werden talentierte Leute in Reserve gehalten für größere Krisen.«
    Ich starrte ihn einen Augenblick an. »Warum erzählen Sie mir das?«
    »Hören Sie, ich habe nicht viel Zeit. Ich fürchte, man hat uns reden sehen. Merken Sie sich

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