Wo mein Herz zu Hause ist
angesprochen.
Diese hatte ihr alles erzählt und sie gebeten, darüber noch Stillschweigen zu bewahren. Erst mussten ihre Tochter und sie sich besser kennenlernen und anfreunden. Zum Glück hatte Kat größtes Verständnis für die schwierige Situation und versprach, auch Lee und Charmaine nichts zu sagen.
Und dann war sie heute Nacht auf Kats Couch aufgewacht, weil sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Zuerst hatte sie an Michaela gedacht, doch dann war es Becky, die unter dem Albtraum stöhnte.
Der Gedanke an das Schreckliche, das Becky durchgemacht hatte, trieb Addie Tränen in die Augen. Warum, warum nur hatte sie ihr Baby damals hergegeben?
Oh ja, ihr Vater hatte sie dazu massiv gedrängt. Skip war nicht gut genug, würde sie sowieso im Stich lassen, würde schnell genug von ihr und dem Kind haben – und dann wäre sie ohne Geld und Ausbildung.
Doch damit hatte er kaum etwas erreicht. Addie hatte an Skip geglaubt – an ihre Liebe, ihre gemeinsame Zukunft.
Viel schlimmer war sein nächster Ansatz: „Denk doch an dein Kind. Glaubst du wirklich, du könntest ihm ein gutes Zuhause bieten, wenn du Tag und Nacht in einer Kaschemme kellnerst, um die Miete bezahlen zu können? Und wo willst du das Kind so lange lassen, wenn du arbeiten musst? Bei fremden Leuten? Was für ein Leben wäre das für ein Kind? Du kannst ihm keine un beschwerte Kindheit ermöglichen, wie du sie hattest. Und denk doch auch mal an Skip – du nimmst ihm die Chance, Karriere zu machen. Außerdem ruinierst du deine eigenen Karriereaussich ten – ich denke, du wolltest mal Ärztin werden?“
Es waren diese Appelle an ihre „Vernunft“, die sie schließlich mürbe machten. Denn es stimmte ja – sie hatte eine recht glückliche Kindheit gehabt, und auch wenn ihr Stiefvater manchmal streng war und ihre Mutter sich in alles einmischte, waren ihre Eltern doch immer für sie da gewesen. Und was war mit Skip? Würde er sie nicht irgendwann hassen, wenn er ihretwegen seinen Traum aufgab? Sicher, zuerst hatte er sie gefragt, ob sie ihn heiraten wollte. Doch bevor sie eine Entscheidung treffen konnte, war er zu ihr gekommen und hatte sie in seinem alten Chevy zum See gefahren – an die Stelle, wo sie sich zum ersten Mal geliebt hatten.
Sie war im dritten Monat gewesen; man sah noch nichts von der Schwangerschaft, und einen Moment lang hatte sie sich eingebildet, alles wäre wie früher. Doch dann hatte er sie ernst und missmutig angesehen und mit ihr Schluss gemacht.
Und so hatte Addie schließlich eine Woche vor der Geburt ihres Kindes die Adoptionspapiere unterzeichnet und damit zugelassen, dass ihre Tochter in ein Zuhause kam, das letztendlich wegen Jesse schlimmer war als alles, was sie selbst ihr hätte bieten können.
Das würde sie sich nicht verzeihen.
Addie wischte sich mit beiden Händen die Tränen ab, schlich auf Zehenspitzen zum Bett, küsste beide Mädchen auf die Stirn und ging leise in die Küche. Dort nahm sie das schnurlose Telefon, ließ sich auf einen Hocker am Frühstückstresen sinken und wählte Skips Nummer, obwohl es schon halb zwei war.
„Becky?“, fragte Skip verschlafen.
„Nein, ich bin’s. Addie.“
Es dauerte einen Moment, bis Skip ganz wach war. „Ist Becky …?“
„Sie hatte einen Albtraum.“
„Ach, verdammt.“
Addie hörte, wie er aufstand. „Jetzt schläft sie wieder. Ach Skip … sie hat mir erzählt, was passiert ist … mir wird ganz schlecht, wenn ich dran denke, was sie durchmachen musste.“
„Ja, das kann ich dir nachfühlen.“
Mühsam versuchte sie, neue Tränen zu unterdrücken. „Wir haben miteinander gesprochen. Ich habe keine Fragen gestellt, aber ich glaube, sie wollte einfach reden.“
„Du tust ihr gut. Sonst redet sie nie, wenn sie einen Albtraum hatte.“
Addies Herz schlug etwas schneller. Skip gab ihr das Gefühl, dass sie wenigstens diesmal etwas Gutes für ihre Tochter getan hatte. Diesmal hatte sie sie nicht im Stich gelassen. „Ich bin ganz fertig“, gestand sie. „Am liebsten hätte ich sie auf Knien um Verzeihung gebeten. Ach Skip, ich würde über glühende Kohlen laufen, wenn ich das ungeschehen machen könnte, was sie erleben musste.“
Jetzt liefen ihr doch wieder die Tränen über die Wangen, und sie tastete nach einer Packung Taschentücher. „Ich hasse mich dafür, dass ich sie hergegeben habe und all das passieren konnte.“
„Jetzt hör mir mal gut zu.“ In seiner Stimme schwang eine Kraft mit, die sie noch nie gehört hatte. „Wir
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