Wo niemand dich sieht

Meter über mir. Ihre Rotorblätter berührten fast den dichten oberen Rand des Waldes. Ich hörte Vögel kreischen, hörte, wie sie wild flatterten, um zu entkommen. Aber links von mir war das Grünzeug so dicht, dass ich sie nicht sehen konnte. Was ich aber erkannte, war ein Mann, der mit einem Fernglas herunterschaute.
    »He, ihr Mistkerle!« Ich ballerte nach oben. Als das Magazin leer war, zog ich es heraus und schob in Windeseile ein anderes hinein. Dann wartete ich. Ich brauchte sie noch näher und tiefer. Die Apache pendelte hin und her, neigte sich von einer Seite auf die andere. Ja, dachte ich, ihr habt mich gesehen. Jetzt kommt und holt mich. Ich hörte, wie ein Mann etwas brüllte. Sie waren direkt über mir. Ich feuerte ein zweites Magazin leer, direkt in den Bauch des Ungeheuers.
    Ich konnte sehen, wie der Pilot verzweifelt mit den Steuerknöpfen hantierte, wie er versuchte, die Maschine wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ein anderer Mann kreischte etwas. Dann schoss die Maschine hoch wie ein Pfeil von einer Bogensehne und legte sich scharf auf die Seite. Ich feuerte noch ein halbes Magazin auf sie ab. Der Hubschrauber bebte, die Rotoren hakten, die unverwüstliche Turbowelle spotzte und gab dann den Kampf auf. Die Apache machte einen Satz, schoss senkrecht in die Höhe, die Nase gen Himmel gereckt. Dann verharrte sie, zitterte leicht, wandte die Nase dann dem Boden zu und torkelte herunter wie ein toter Vogel. Ich hörte zwei Männer schreien.
    Der Helikopter fiel mit sich drehenden Rotorblättern in den Regenwald, Bäume und Büsche zerfetzend. Ein lautes Reißen ertönte - der Rotor war ab. Dann Stille. Ich hörte den anderen Helikopter, aber er war nicht sehr nahe. Hatten sie gesehen, was mit dem ersten passiert war und trauten sich nun nicht näher?
    Ich wartete einen Moment, rannte dann so schnell ich konnte zu der Stelle, wo der Helikopter abgestürzt war, die Nase fast einen Meter im Boden, der Rotor halb abgebrochen, messerscharfe Schneiden, die in einem Wust aus Blättern vergraben waren. Über mir kreischten Affen. Ich sah, wie sich mehrere etwa zwei Meter über mir von Ast zu Ast schwangen. Ich wusste, dass der Helikopter explodieren konnte, aber ich brauchte unbedingt diesen Erste-Hilfe-Kasten. Laura war verwundet. Ohne medizinische Versorgung würde sie in dieser Hölle niemals überleben.
    Pilot und Schütze waren beide tot. Auch sie trugen Armeekleidung, so wie der Rest von Molinas Männern. Sie waren mit amerikanischen Helikoptern gekommen, aber Amerikaner waren das ganz gewiss nicht. Wahrscheinlich gehörten sie zu Del Cabrizos Truppe, geschickt, um uns zu töten, wie Molinas gesagt hatte.
    Zu meiner großen Erleichterung fand ich den Erste-Hilfe-Kasten direkt unter dem Pilotensitz. Hinter dem Rücksitz des Piloten hingen erstaunlicherweise ein halbes Dutzend Mineralwasserflaschen in einem Netz. Auf dem Rücksitz lagen mehrere Decken. Als ich sie nahm, merkte ich, dass sie durchdringend nach Sex rochen. Jetzt wusste ich, was diese Kerle vor dem Start getrieben hatten.
    Ich knüpfte das Netz mit den Flaschen vom Sitz los, warf mir die Decken über die Schulter und rannte mit einem tierischen Gebrüll zu den Gefährten zurück.
    Wir befanden uns nach wie vor zu dicht am Rand des Dschungels. Ich hörte zwar niemanden kommen, hörte keine andere Apache, aber es wäre dumm gewesen, unnötig etwas zu riskieren.
    »Mein Gott«, sagte Savich fassungslos. »Jetzt hast du deinen Erste-Hilfe-Kasten und obendrein noch Wasser. Ich werde dafür sorgen, dass du ’ne Beförderung kriegst, Mac.«
    »Kannst du noch ein bisschen länger durchhalten?«, fragte ich und kniete mich neben Laura.
    »Ja, aber dann würde ich mich gerne mit einem guten Buch und einem kühlen Drink am Pool entspannen.«
    »Wird gemacht. Mal sehen, was wir hier haben. Da müssten doch ein paar Schmerztabletten sein, die werden’s dir wenigstens ein bisschen leichter machen.« Ich fand sie und gab ihr gleich drei und so viel Mineralwasser, wie sie wollte. Savich hatte die Blutung zum Stillstand gebracht, Gott sei Dank. Mehr konnten wir im Moment
    nicht tun. Ich erhob mich rasch. »Kommt, gehen wir nach Nordwesten, vielleicht noch fünfzig Meter, dann kehre ich um und verwische unsere Spuren. Der liebe Herrgott hält seine Hand über uns, Leute. Schaut nur, all die Wasserflaschen. Und es sind nicht mal Drogen drin.«
    Nach weiteren fünf Metern kamen wir nicht mehr weiter; der Dschungel wurde undurchdringlich. Beim ersten Mal