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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Mac?«
    »Sie ist nicht tot. Sie ist weg, fort, aus dem Krankenhaus verschwunden.«
    Sie zuckte zurück und stieß dabei ihre Kaffeetasse vom Tisch. Die Tasse zerschellte auf dem Parkettboden, und der Kaffee ergoss sich in einer langen Lache bis fast zu einem kleinen persischen Teppich. Sie stieß einen Verzweiflungslaut aus, wich zurück und starrte die Bescherung an. Ich erhob mich und zog den Teppich aus der Gefahrenzone. Dann konnte ich einfach nicht anders. Ich ergriff sie am linken Handgelenk und zog sie an mich. Sie wollte zuerst nicht, aber dann schlang sie die Arme um meine Taille. Den Mund an ihrem Haar, sagte ich: »Sie ist nicht tot, Laura, aber sie ist fort. Ich bin hergekommen, um zu fragen, ob Sie wissen, warum sie das Krankenhaus verlassen hat.«
    Laura war nicht gerade klein. Sie passte perfekt unter mein Kinn. Ich schob sie wieder zurück. Das musste ich, um wenigstens noch ein kleines bisschen Objektivität zu wahren.
    »Wann?«
    »Gestern Abend um zirka zweiundzwanzig Uhr«, erklärte ich und trat noch einen Schritt von ihr zurück. »Wir wissen nicht, wo sie ist. Ich hatte gehofft, Sie wüssten es.«
    Sie rührte sich nicht. Stand einfach da, wo ich sie stehen gelassen hatte. »Woher soll ich das wissen? Nein, natürlich habe ich keine Ahnung, wo sie sein könnte. Woher auch? Wird sie wirklich vermisst? Eine Sekunde, Mac, ich wische das hier nur rasch auf.«
    Ich wartete, bis sie mit einem Papiertuch wieder auftauchte. Sie ging in die Hocke und wischte den Kaffee auf. Ich erklärte: »Keiner weiß, wo sie ist. Keiner hat sie gehen sehen, allein oder in Begleitung.«
    Sie sammelte die Scherben zusammen und wischte auch den restlichen Kaffee weg. Dann setzte sie sich auf die Hacken und blickte zu mir auf. »Und Sie glauben, ich hätte was damit zu tun«, vollendete sie schließlich.
    »Ich bin hergekommen, weil ich hoffte, Sie wüssten was. Sie haben sie letzte Nacht angerufen.« Ich hob die Hand, um ihr das Wort abzuschneiden. »Ja, ich weiß, Sie haben nicht persönlich mit ihr gesprochen. Aber hören Sie, Laura. Jilly mag Sie nicht. Sie hat möglicherweise Angst vor Ihnen. Auf jeden Fall fühlt sie sich von Ihnen irgendwie betrogen. Und sie wollte Sie nicht in ihrer Nähe haben. Ihnen ist doch klar, dass Sie der Hauptgrund sind, warum Jilly aus dem Koma aufgewacht ist? Sie wollte weg von Ihnen.
    Ihre Geschichte, wie Sie Jilly in der Bibliothek kennen gelernt haben - sie habe nach Artikeln über Unfruchtbar-keit gesucht, sagen Sie. Das nehme ich Ihnen nicht ab, Laura. Soweit ich weiß, wollte Jilly erst seit längstens sechs Monaten schwanger werden. Da macht man sich doch noch keine Gedanken, oder? Nein, bestimmt nicht.«
    Sie erhob sich langsam, holte tief Luft und blickte mich abweisend an. »Ich habe nicht gelogen. So habe ich Jilly kennen gelernt. Was Unfruchtbarkeit betrifft, da kenne ich mich nicht aus. Wie lange dauert es, bis sich jemand Gedanken darüber macht, nicht schwanger zu werden? Keine Ahnung. Vielleicht versucht sie’s ja schon länger und hat Ihnen nichts davon gesagt. Das ist doch möglich, oder? Jilly mag ja nicht sonderlich gebildet gewesen sein, aber dumm war sie deshalb noch lange nicht.«
    »Und das glauben Sie? Dass sie ungebildet ist?«
    »Das hat sie mir jedenfalls gesagt. Sie hätte kaum die Highschool geschafft, sagte sie, wenn nicht einer der Lehrer hinter ihr her gewesen und ihr den Abschluss praktisch in den Schoß gelegt hätte. Andauernd schwärmte sie, was für ein brillanter Geist Paul doch wäre, was für ein Genie, und dass sie es zufrieden sei, im Hintergrund zu bleiben und sich einfach nur um ihn zu kümmern. Ich fand das blödsinnig, aber Jilly glaubte daran, wollte es offenbar nicht anders. Sie sagte, sie wünschte sich ein Kind von ihm und ob ich mir überhaupt vorstellen könnte, wie klug dieses Kind sein würde? Dann schüttelte sie sich und meinte, aber wenn das Kind ihren Verstand und ihre Tatenlosigkeit erbte, dann wären sie ganz schön in der Zwickmühle. Ich hab nicht gesagt, dass ich Paul für zu mickrig halte, dass er sein Äußeres vernachlässigt und bald eine Glatze haben wird und dass ich hoffe, dass er das nicht an sein Kind vererbt.«
    Falls sie log, hatte ich nie eine bessere Lügnerin erlebt. Ich schüttelte den Kopf. »Das ist alles ziemlich seltsam,
    Laura. Jilly hat Ihnen wohl nie gesagt, dass sie Wissenschaftlerin ist und ein Masters Degree in Pharmazie besitzt? Dass sie sämtliche Studienkurse für ihre Promotion abgelegt und

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