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Wo niemand dich sieht

Titel: Wo niemand dich sieht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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er wollte nicht mehr. Ich vergesse nie seinen sechzigsten Geburtstag, er gab mir einen dicken Schmatz und sagte, jetzt würde er sich aus dem Staub machen, und all die Kriminellen könnten anstellen, was sie wollten. Er würde keine Träne mehr vergießen über ein Rechtssystem, das es Verbrechern ermöglicht, schneller wieder draußen zu sein, als man sie einfangen kann. Auch den Wintern in Chicago würde er nicht nachweinen, die ließen seine Haut nur vorzeitig altern. Eine Woche später war er schon weg. Sagen Sie, wer sind Sie eigentlich? Ich weiß, Sie sind vom FBI, aber wieso wollen Sie was über Charlie wissen?«
    »Charlie ist tot«, sagte ich schlicht. »Er wurde ermordet. Ich versuche rauszukriegen, von wem und warum.«
    »O nein«, ächzte Liz Taylor erschrocken. »O nein. Hab erst letzten Dezember noch eine Weihnachtskarte von ihm bekommen. Der liebe alte Charlie.« Ich hörte, wie sie schniefte.
    »Erzählen Sie mir mehr über ihn«, forderte ich sie auf. »Hab gehört, er wäre nicht gerade der vertrauensselige Typ gewesen.«
    »Ja, so war Charlie«, sagte Liz, die noch immer ein wenig schniefte. »Manche Leute mochten ihn nicht, nannten ihn einen Mistkerl und Schnüffler, der überall seine Nase reinstecken musste, und da hatten sie wahrscheinlich sogar Recht. Aber er hat niemandem was getan, der eine saubere Weste hatte. Und er hatte die höchste Mordaufklärungsrate im ganzen Department. Hält den Rekord sogar noch immer. Der arme Charlie. Ich sage Ihnen, nichts konnte ihn aufhalten, wenn er mal Blut gerochen hatte.«
    Er war also nicht nur ein Kriminalbeamter gewesen, er war obendrein noch von der Mordkommission. Gerissen und hartnäckig, gab nie auf. Eine Mischung, die sich als tödlich für den alten Mann erwiesen hatte.
    »Ich brauche die Namen von Leuten, mit denen er nach wie vor Kontakt pflegte. Kollegen vielleicht. Wissen Sie, ob er noch Freunde in Chicago hatte?«
    »Warten Sie. Was ist passiert? Ist er auf irgendwas gestoßen? Und wurde deshalb umgebracht?«
    »Kann sein«, erwiderte ich vorsichtig. »Wissen Sie also, ob er noch Verwandte oder Freunde in Chicago hatte? Denen er sich möglicherweise anvertraute?«
    »Keine Verwandten mehr«, sagte sie. »Seine Frau starb, bevor er in den Ruhestand trat. Brustkrebs, die arme Frau. Er zog dann in den Westen, um in der Nähe seiner Eltern zu leben, irgendwo an der Westküste. Oregon, stimmt’s?«
    «Das stimmt«, sagte ich und hatte inzwischen beinah eine Kiefersperre vor Ungeduld. »Liz, irgendwelche Freunde?«
    »Bloß ein paar von den alten Haudegen, die noch immer dabei sind. Aber soweit ich weiß, hat er seit Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen. Ich kann mich mal umhören, eventuell hat er ja kürzlich mit einigen von den alten Knaben geredet.«
    »Ja«, sagte ich, »dafür wäre ich Ihnen wirklich dankbar.« Ich bedankte mich überschwänglich für ihre Hilfe, gab ihr meine Telefonnummer und hängte ein.
    »Interessant«, sagte Laura. »Zu schade, dass sie dir nicht mehr sagen konnte.«
    »Ich hoffe, sie hat möglichst bald einen Geistesblitz«, brummte Savich trocken, »denn sonst könnte es zu spät sein.«
    »Amen«, sagte Sherlock und blickte dabei ihren Mann an.
    Ich ging zu Laura, hob sanft ihr Kinn, so dass sie zu mir aufblicken musste, und sagte: »Vergiss Cal Tarcher. Vergiss die tausend anderen.«
    Sie lachte so heftig, dass mir nichts anderes übrig blieb, als sie kräftig an mich zu drücken. Sie fand mich noch immer komisch.
    Um vierzehn Uhr saßen Laura und ich neben Savich und Sherlock in der Kirche der Liga, die in der Greenwich Street lag, gleich um die Ecke von der Fifth Avenue. Gegenüber der kleinen, weiß getünchten Backsteinkirche lag ein kleiner Park, daneben ein großzügiger Parkplatz. Das Gebäude selbst sah komischerweise überhaupt nicht wie eine Kirche aus, was wohl daran lag, dass es von so vielen verschiedenen Kongregationen benutzt wurde.
    Laura stellte ich allen als DEA-Beamtin vor, mit der ich gegenwärtig zusammenarbeitete. Savich und Sherlock stellte ich als FBI-Agenten vor, die mir dabei halfen, den Fall aufzuklären. Welchen Fall? Den Anschlag auf Laura? Ich blieb so vage wie möglich, während ich Alyssum Tarcher lächelnd diese Neuigkeiten servierte. Mein Lächeln sagte deutlich: Dich krieg ich schon. Ich glaube, er wusste ganz genau, was ich dachte.
    Charlie Duck hatte den Ehrenplatz im Kirchenschiff bekommen. Die wunderschön verzierte Urne mit seinen sterblichen Überresten ruhte in einer

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