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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathryn Constable
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und benommen von dem Essen und der anstrengenden Reise waren, zogen sich schweigend aus. Delphine streifte den silbernen Mantel ab und legte ihn auf Sophies Bett.
    »Danke«, murmelte sie. »Genützt hat er mir allerdings nicht viel.« Sie warf Sophie einen abschätzenden Blick zu. »Die Prinzessin und du … keine Ahnung, was da abgeht …«
    Sophie schlüpfte in ihr schmales Bett. »Mir gefällt es hier«, sagte sie. Die Laken waren mit kleinen schwarzen Pünktchen übersät, feuchten Stellen, obwohl sie sauber und gut gelüftet waren. »Ich weiß, dass die ganze Pracht längst verschwunden ist … aber gerade deshalb kann man sich hier zu Hause fühlen …«
    »Was schätzt ihr, wie groß das Anwesen ist?«, sagte Marianne gähnend. »Irgendwie hab ich überhaupt keine Vorstellung davon.«
    An der Wand neben Sophies Bett klebten Zettel, die mit russischen Buchstaben bedeckt und ohne erkennbare Ordnung angebracht waren, so dass sich die meisten überlappten. Wie aus einem Kindermalbuch, dachte Sophie. Ja, klar! Ivan hatte doch gesagt, dass der Raum früher die Kinderstube des Palasts gewesen war. Vielleicht stammten die Kritzeleien von einem der Volkonski-Kinder.
    Einige der Blätter waren an den Rändern abgegangen und Sophie konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihre Fingernägel darunterzuschieben und das Papier noch weiter abzulösen. Sorgfältig fuhr sie die Buchstaben nach: C, O und dann ein O mit einer Linie mittendurch und ein umgekehrtes N und R. СОФИЯ. Was in aller Welt sollte das bedeuten?
    Hinter den Blättern kamen helle Holzsplitter zum Vorschein und dann etwas Schwarzes: ein großes Loch. Das Papier war also dazu da, die Löcher zu verstopfen. Ein Luftzug drang durch die Ritzen und brachte die Ecken der Seiten, die Sophie abgelöst hatte, zum Rascheln. Aus welchem Teil des Palasts kam dieser Luftzug? Hinter der Wand hier lagen doch noch viele andere Räume. Und alle waren abgeschlossen. Alle verlassen.
    »Meint ihr, dass die Prinzessin einsam ist?«, fragte Sophie die anderen. »Wenn sie hier so ganz allein lebt?«
    »Einsam – ich weiß nicht«, sagte Delphine. »Aber sie langweilt sich garantiert. Hier kann man doch nichts machen!«
    »Außer eislaufen und Mondscheinpicknicks und Ausritte im Wald?«, stichelte Sophie.
    »Na ja, wenn man Schnee mag«, murmelte Delphine. »So wie du. Mir ist es zu kalt hier. Ich wäre lieber in Südfrankreich.«
    »Ich finde es jedenfalls spannend, dass wir an einem Ort wohnen, an dem so viel passiert ist«, sagte Sophie. »Ihr nicht?«
    Marianne runzelte die Stirn. »Ach, ich weiß nicht. Das ist doch alles so schrecklich, Sophie.«
    »Nein, nicht nur schrecklich – es ist auch was Gutes passiert«, sprudelte Sophie hervor und merkte selbst, dass sie viel zu schnell redete. »Der letzte Volkonski-Prinz hat schließlich seine Familie gerettet.«
    Das Leben heutzutage kam ihr so langweilig, so kleinkariert und oberflächlich vor, verglichen mit dem Schicksal der Volkonskis. Tragisch war es, klar (und Sophie liebte schon allein das Wort!), aber nicht so traurig, wie wenn man zu einem Leben verdammt war, in dem fast gar nichts passierte. Immer im gleichen Trott weitermachen, nie etwas riskieren – das war doch eine viel sinnlosere Vergeudung des kostbaren Lebens, das ihr geschenkt worden war. Und sie hatte doch nur dieses eine! Natürlich wollte sie nicht erschossen werden wie der letzte Volkonski-Prinz, aber eines wusste sie jetzt: Sie wollte ein Leben in Tapferkeit, Leidenschaft und Liebe. Die Prinzessin konnte froh sein, dass sie aus einer so heldenmütigen Familie stammte.
    Plötzlich klopfte es an die Tür. Marianne schnappte nach Luft. »Wer ist das?«, keuchte sie.
    Im selben Moment erschien die Prinzessin in der Tür, zwei große Bücher in den Händen. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt ein paillettenstrotzendes Abendkleid. Als sie rasch das Zimmer durchquerte, hatte Sophie das Gefühl, dass die ganze Frau nur aus glitzernden Pailletten bestand.
    »Ich kann oft nicht schlafen, Mädchen, und deshalb gehe ich nachts durch den Palast. Ich habe euch ein paar Schätze mitgebracht«, verkündete sie und ging zu Mariannes Bett. »Für dich ein Buch über Astronomie, das Prinz Anton Volkonski geschrieben hat. Er hat sich ein Observatorium auf seinem Gut errichten lassen.«
    »Was, hier gibt es ein Observatorium?«, rief Marianne mit leuchtenden Augen. Dann nahm sie das große Buch entgegen und schlug es ehrfürchtig auf.
    »Ja, natürlich«,

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