Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)
seinen Arm um ihre Schultern. »Das reicht jetzt, Prinzessin! Schluss damit!«, brüllte er.
Die Prinzessin lachte und drehte eine übermütige Pirouette. »Ha, du kannst mich nicht aufhalten!«, rief sie von der anderen Seite des Teichs herüber. »Und du willst es auch gar nicht – gib’s nur zu!«
Delphine war jetzt aufs Eis getreten und glitt auf Ivan und Marianne zu.
»Ausgezeichnet, Delphine«, lobte Ivan sie und lächelte anerkennend.
Sophie sah, wie Delphine erwartungsvoll zur Prinzessin hinüberschaute, die prompt Beifall klatschte. Delphine rückte ihren Schal zurecht und glitt stolzgeschwellt um den See herum.
Und jetzt kam Sophie an die Reihe. Alle schauten auf sie. Ivan, der immer noch Mariannes Schulter umfasste, hielt ihr seine andere Hand hin. Sophie wusste, dass sie weder Delphines Talent noch Mariannes verbissenen Ehrgeiz besaß. Wie immer würde sie die Schlechteste abgeben.
»Ich will lieber nur zuschauen«, sagte sie zu Ivan.
Doch jetzt sauste die Prinzessin zu ihr herüber. Ihre Schlittschuhe kratzten über das Eis, als sie gekonnt vor Sophie bremste.
»Komm her zu mir!«, rief sie und breitete beide Arme aus. »Hab keine Angst!«
Das Gesicht mit den tiefen grauen Augen und geröteten Wangen verscheuchte jede Hemmung oder Schüchternheit in Sophie. Sie hatte noch nie auf Schlittschuhen gestanden, sie konnte nicht eislaufen, aber sie würde tun, was die Prinzessin von ihr verlangte, egal was passierte.
»Sieh mich an!«, rief die Prinzessin und glitt näher heran. Dann flüsterte sie ihr zu: »Vertrau mir.«
Wieder atmete Sophie tief die traumschwere Waldluft ein. Ihr schien, als hätte sie keine Wahl. Entweder musste sie jetzt ins kalte Wasser springen und loslaufen oder sie würde wie der letzte Idiot dastehen. Gestern Abend hatte die Prinzessin ihr bewiesen, dass sie ihr vertraute. Jetzt musste sie ihr dasselbe Vertrauen entgegenbringen.
Wacklig stand Sophie auf, und ihre Beine versteiften sich, als sie auf den schmalen Kufen balancierte. Aber sie blieb einigermaßen aufrecht, solange sie kleine Schrittchen machte. Der Trick war, immer in Bewegung zu bleiben, wie beim Fahrradfahren. Die Prinzessin schien nur noch Augen für sie zu haben, und Sophie erschrak über die wütende Konzentration, die sich in ihrem ganzen Körper abzeichnete.
Ganz langsam, ermahnte Sophie sich selbst. Ich mache jetzt einfach noch zwei Schrittchen und dann noch eins … Ihr war klar, dass sie jeden Moment stürzen würde – beim nächsten Schritt oder vielleicht beim übernächsten. Sie wackelte schon viel zu lange über das Eis, ohne dass sie der Prinzessin auch nur einen Schritt näher gekommen war.
Delphine und Marianne kicherten, aber Sophie traute sich nicht, zu ihnen hinüberzuschauen. Ihre Augen blieben starr auf das Gesicht der Prinzessin geheftet.
»Größere Schritte, Sophie«, drängte die Prinzessin. »Siehst du? Jetzt hast du mich beinahe eingeholt …«
Plötzlich machte in Sophies Kopf etwas Klick! und von einem Moment zum anderen begriff sie, was sie tun musste. Sie stieß sich kräftiger mit dem rechten Bein ab, verlagerte ihr Gewicht und spürte, wie der Schlittschuh auf dem Eis dahinglitt. Dann verlagerte sie erneut ihr Gewicht und stieß sich mit dem linken Bein ab. Frei und schwerelos kam sie sich vor, als flöge sie, als wirbelte sie endlos herum, ohne noch sagen zu können, wo sie aufhörte und der Wald und der vereiste See begannen.
»Ich bin eine Schneeflocke«, lachte sie, legte den Kopf zurück und öffnete den Mund, um den Schnee auf ihrer Zunge zergehen zu lassen.
Und dann stürzte sie. Fiel der Länge nach auf den Rücken.
Aber es war nicht schlimm. Nur komisch, zum Totlachen, mit Ivans breit grinsendem Gesicht über ihr, seinen unzähligen Lachfältchen, und der Prinzessin in ihrem weißen Turban über den hochgezogenen Augenbrauen, die aus vollem Hals lachte, sich buchstäblich bog vor Lachen. Sophie sah die blassen Tagessterne über ihren Köpfen, die Birkenäste, die diese Sterne am Himmel aufzuspießen schienen, und eine unbändige Freude stieg in ihr auf, ja, sie platzte fast vor Glück.
Unten wogte ein leichter Nebel an den Baumstämmen entlang. Oder nein, halt – kein Nebel bewegte sich so und war auch nicht so fest wie das hier. Und seit wann nahm Nebel die Gestalt von … die Gestalt von …?
Entsetzt begriff Sophie, dass sie Alarm schlagen musste. Sie war jetzt nicht mehr im Palast, schaute nicht von ihrem sicheren Zimmer auf ihn hinunter.
Der
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