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Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Wo Schneeflocken glitzern (German Edition)

Titel: Wo Schneeflocken glitzern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathryn Constable
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ruhig.
    »Dann stirb, du Hund«, zischte der General. Er hob die Pistole und zielte direkt auf Ivans Herz.
    Sophie stockte der Atem. Das war doch wohl nicht sein Ernst? Der General würde doch seine Drohung nicht wahrm…
    »Njet!«, kam eine Stimme aus dem Kronleuchter oben, der über ihnen ins Schaukeln geriet.
    Sophie schaute hoch und sah Dimitri darin sitzen.
    Ivan rief ihm etwas auf Russisch zu.
    »Raus hier!«, fauchte die Prinzessin Ivan an. »Dich kann ich hier nicht mehr gebrauchen, geh mir aus den Augen! Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich rette dich aus der Gosse und das ist der Dank dafür?«
    Ivan wankte leicht. »Nicht mehr gebrauchen?«, wiederholte er fassungslos.
    Die Frau lachte. »Was ist? Was starrst du mich so an? Glaubst du etwa, dass mehr zwischen uns war?«
    Ivan schüttelte den Kopf, warf ihr einen flehentlichen Blick zu, aber als die Prinzessin schwieg, stolperte er zur Tür.
    »Zieh mich hoch!«, schrie Sophie. »Dimitri! Tu, was ich dir sage!« Warum brauchte er nur so lange?
    Dann sah sie, wie die Prinzessin in den Kronleuchter hinaufschaute und die Hand vor den Mund schlug. Sophie wusste, dass der General alles mitverfolgte, aber sie war so versessen darauf, endlich in die Kristallwolke hinaufzuklettern, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Gleich würde sie die Prinzessin retten und ihr den General vom Hals schaffen. Die Prinzessin würde ihr ewig dankbar sein, und ja, warum sollten sie nicht Freunde werden? Sophie würde mit ihr über die Wölfe sprechen und ihr erklären, warum sie nicht eingesperrt sein durften …
    Endlich zog Dimitri sie hoch.
    Sophie kletterte auf die Metallarme des Leuchters. Die ganze Kristallwolke fing an zu schaukeln. Wankend klammerte sich Sophie an dem vergoldeten Gestänge fest, um sich ins Gleichgewicht zu bringen. Dimitri saß ihr gegenüber. Er schaute nicht auf.
    »Hilf mir«, sagte Sophie. »Ich muss mal da rübergreifen …«
    Dimitri folgte ihrem Blick, schaute auf den trüben grauen Kristallstrang mit dem rostigen Draht und seine Augen füllten sich mit Tränen.
    Als Sophie ihren Arm ausstreckte, packte er ihr Handgelenk. Eine Träne tropfte auf die Narbe an seiner Wange. »Du weißt nicht, was du tust!«, flüsterte er.
    »Und ob ich das weiß«, protestierte Sophie. »Lass meine Hand los. Du tust mir weh!«
    Sophie riss ihre Hand weg und der Kronleuchter wackelte wieder. Lichtfünkchen schwirrten um sie herum. Auf einmal war alles sonnenklar. Sie hakte den rostigen Draht aus und wickelte den Kristallstrang um ihr Handgelenk, ihren Arm, ihren Hals. Dann setzte sie den Fuß in die Schlaufe, lächelte Dimitri zu und signalisierte ihm, dass er sie wieder hinunterlassen sollte. Sein Gesicht war wie versteinert.
    Von unten drangen die Stimmen des Generals und der Prinzessin zu ihr herauf. Sie stritten über etwas. Die Prinzessin klang ängstlich, als fürchtete sie, dass der General jeden Moment wutentbrannt aus dem Saal stampfen könnte.
    »Wenn du mir nicht hilfst, spring ich einfach runter«, rief Sophie zu Dimitri hinüber und hob drohend ein Bein in die Luft. Das riss ihn aus seiner Erstarrung.
    » Njet! «, schrie er. Er hakte das Seil los, ließ es langsam durch seine Hände gleiten, und Sophie schwebte auf den Boden, sprang in letzter Sekunde herunter.
    »Siehst du?«, rief sie zu Dimitri hinauf. »Sie waren die ganze Zeit da! Genau dort, wo wir uns das erste Mal getroffen haben! Ich hab dir doch gesagt, wie schlau die Wolfsprinzessin war!« Langsam wickelte sie den grauen Strang von ihrem Arm ab. Die Steine waren viel zu groß – das konnten doch keine Diamanten sein? Und die Kette war zu lang. So viele große funkelnde Diamanten konnte es doch gar nicht geben auf der Welt!
    Die Prinzessin und der General standen wie angewurzelt da.
    Die Augen der Prinzessin glitzerten und sie sagte nur ein einziges Wort auf Russisch: »Brillant!« Das Wort glitzerte und funkelte, versprühte sein Licht im Raum.
    Mit einer raschen Bewegung riss die Prinzessin die Kette an sich.
    Einen Augenblick herrschte Totenstille im Raum, als hätte jemand eine schöne, antike Vase fallen lassen. Etwas Kostbares, Unersetzliches wird gleich zu Bruch gehen und jeder fragt sich, ob die Katastrophe vielleicht doch noch – gegen alle Gesetze der Schwerkraft – irgendwie verhindert werden kann.
    Die Prinzessin starrte Sophie an, mit kalten, fast schwarzen Augen. Der Kronleuchter bebte und Sophie schaute zu Dimitri hinauf. Er hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.

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