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Wo unsere Träume wohnen

Wo unsere Träume wohnen

Titel: Wo unsere Träume wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: KAREN TEMPLETON
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Becher an den Mund. „Falls es eines gibt“, wiederholte sie betrübt.
    Einen Arm auf dem Lenkrad, lehnte Rudy sich zurück und betrachtete Violets Profil. Sie hatte den Hut abgenommen, und die Locken kringelten sich um ihr Gesicht. Er spürte eine ungewohnte Mischung aus Frustration und dem Bedürfnis, diese tapfere Frau zu beschützen.
    „Ich weiß, ich bin ein Fremder, aber Sie können mir vertrauen, Violet – es ist nicht meine Art, Mütter und Kinder auf die Straße zu setzen.“
    „Erstens, ich sitze nicht auf der Straße. Außerdem war es nicht Ihre Schuld. Sie wussten nichts davon.“
    „Was für Sie kein Trost ist.“
    „Nein, aber …“ Sie spitzte die Lippen und ließ die heiße Schokolade im Becher kreisen. „Hören Sie, es tut mir leid, dass ich vorhin so reagiert habe. Im Restaurant, meine ich. Ich hätte meine Enttäuschung nicht an Ihnen auslassen dürfen.“
    „Vergessen Sie’s.“ Er ballte die freie Hand zur Faust, um sich davon abzuhalten, Violet zu berühren – ihre Hand zu ergreifen, die Schulter zu drücken. Was auch immer. „Ihr Ehemann hat Sie und die Kinder verlassen?“
    „Ja“, bestätigte sie nach einem Moment. „Wir sind seit einem Jahr geschieden. Aber da ich mich nicht gern bemitleiden lasse …“
    „Keine Sorge. Mitleid ist etwas für Leute, die den falschen Weg einschlagen, weil sie die Fallgrube nicht sehen.“
    „Und woher wissen Sie, dass es bei mir anders war?“
    Rudy zog einen Mundwinkel hoch. „Na gut, einigen wir uns darauf, dass Entscheidungen vor dem einundzwanzigsten Lebensjahr nicht zählen?“
    Sie lachte sanft und ein wenig atemlos, aber nur kurz. „Oh. Heißt das …“
    „Ja. Ich auch.“ Er seufzte. „Erinnern Sie sich an das kleine, rebellische Wesen, mit dem ich heute Abend im Restaurant war? Meine Tochter. Wir beide sind allein, seit sie sechs Monate alt ist. Dass ihre Mutter noch lebt, weiß ich nur, weil ich regelmäßig nachforsche. Ob sie weiß oder ob es sie interessiert, wie es Stacey und mir geht? Keine Ahnung. Also … was sehe ich gerade in Ihrem Gesicht? Mitleid? Oder Verständnis?“
    „Verblüffung. Dass eine Frau so dämlich sein kann.“
    „Sie kennen mich nicht, Violet.“
    „Ich weiß genug über Sie. Innerhalb von zwei Stunden stehen Sie einer wildfremden Kellnerin gegen ihre ungerechte Chefin bei, geben ihr ein Zwanzig-Dollar-Trinkgeld, bringen ihr eine heiße Schokolade und bieten ihr nicht nur einen Job, sondern auch noch Kost und Logis an. Eine Frau, die sich so jemanden entgehen lässt …“ Sie schüttelte den Kopf. „Schön blöd.“
    „Kann sein. Aber sie war keine Frau, sie war ein Kind. Das waren wir beide. Ich war zwanzig, sie achtzehn. Viel zu jung.“
    „Sagt wer?“, entgegnete Violet mit geröteten Wangen. „Ich war achtzehn, als George auf die Welt kam, und ich habe ihn nicht im Stich gelassen. Im Gegensatz zu Mitch, der nach acht Jahren und zwei Kindern zu dem Ergebnis kam … zu welchem auch immer. Leider ausgerechnet in der Woche vor Weihnachten. Das ist jetzt zwei Jahre her.“ Sie lächelte matt. „Ein schönes Fest, glauben Sie mir. Eine Nachricht und ein paar Hundert Dollar auf dem Küchentisch als Abschiedsgeschenk. Obwohl wir, ich jedenfalls, hin und wieder noch von ihm hören.“
    Etwas in ihrer Stimme – ein bitterer Nachgeschmack vielleicht – ließ Rudy aufhorchen. Wütend war sie ihm wesentlich lieber als traurig, denn wo Wut war, gab es auch Hoffnung.
    „Sieht er die Jungen?“
    Ihre Locken zitterten, als sie den Kopf schüttelte. „Obwohl er sagt … er will es … irgendwann.“
    „Was zum …“
    „Er sagt, er muss sich erst über einige Dinge klar werden.“
    „Auch über eine mögliche Versöhnung?“, fragte Rudy leise.
    „Wer zum Teufel weiß das?“ Violet rieb sich die Stirn. „Ihr Mund wurde wieder schmal. „Versöhnen kann sich jeder. Sie aufrechtzuerhalten ist etwas ganz anderes.“
    Er widerstand der Versuchung, sie zu fragen, ob sie eine Versöhnung wollte. Aber er hatte zweifellos einen wunden Punkt getroffen. Als er entschuldigend nach ihrem Arm tastete, zuckte sie zusammen.
    „Hey“, flüsterte er mit belegter Stimme. „Alles in Ordnung?“
    „Ja. Ja, ich bin …“ Sie holte tief Luft. „Man kann jahrelang durchhalten, mit dem Notwendigsten auskommen, sich über Kleinigkeiten freuen, über das Lächeln seines Babys oder einen neuen Lippenstift zum Beispiel. Über den ersten warmen Frühlingsabend mit Freunden. Und Stück für Stück gewinnt man wieder

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