Wo Warst Du - Ein Septembertag in New York
verdrängt von hohen Brennnesseln und wild wucherndem Unkraut. Der heiße New Yorker Sommer hat all meine halbherzigen Versuche, hinterm Haus so was wie eine grüne Oase zu schaffen, zerstört.
Im Juli, als wir Maschas dritten Geburtstag vorgefeiert haben, sah der Garten so gut aus wie nie – meine Mutter hatte mir geholfen, Unkraut zu jäten, die Rosen und der Rhododendron blühten, als die Gäste kamen. Es waren viele Gäste. Mascha hatte sich einen richtigen amerikanischen Kindergeburtstag gewünscht, so, wie sie es bei ihren Freunden aus dem Kindergarten erlebt hatte. Ich hatte mich erst gesträubt, ich wollte keinen Clown oder ein Cinderella-Double nach Hause bestellen oder das Kinderkarussell im Park für drei Stunden anmieten. Kindergeburtstage in New York kosten ein Vermögen, die Eltern versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Mit Pinata und Riesentorte und Pizza und goodie bags , die mehr kosten als das Geschenk. Mascha und Ferdinand sind manchmal zu zwei oder drei Geburtstagen an einem Wochenende eingeladen, ich fahre sie hin, hole sie ab, und wenn es irgendwo draußen in Midwood oder Coney Island ist, sitze ich mit anderen Eltern zwischen Papptellern und Papierschlangen und warte darauf, dass ich wieder nach Hause fahren kann.
Zum Glück hatten wir den Garten, mit Schaukel und Baumhaus und Klettergerüst, es war genug Platz da für zehn Kinder und deren Eltern, die alle in ihrer freundlichen amerikanischen Art darauf bestanden zu bleiben, weil sie Angst hatten, ihre Kinder könnten in ihrer Abwesenheit vom Baumhaus fallen. Ich machte Limonade, breitete Decken auf der Wiese aus, kaufte buntes Papier, Play-Doh -Knete, einen Riesenkuchen mit einer Sonne und einem Regenbogen darauf und einen hohlen Pooh -Bär, den ich mit Süßigkeiten füllte, ans Baumhaus band, damit die Kinder ihn mit Ferdinands Baseballkeule zerschlagen konnten.
Das alles ist unvorstellbar weit weg.
Ich laufe auf Zehenspitzen durch die Pfütze unter der Schaukel und frage Ferdinand, ob er andere Kinder gesehen hat. Ferdinand sagt, Maeve sei draußen gewesen, aber nur kurz. Bestimmt wegen der Pfütze, denke ich. Deswegen lässt Terry Maeve nicht raus. Pfützen sind stehende Gewässer, und in stehenden Gewässern legen Mücken ihre Eier ab. Mücken übertragen den West-Nile-Virus. Terry hat mir zu diesem Thema einen längeren Vortrag gehalten, im letzten Sommer. Er spritzt seine Sträucher mit Knoblauchlösung ab gegen die Mücken und hat mir Holzchips aus Zedernholz empfohlen. Zedernholz soll auch gut gegen Mücken sein. Alle zwei Monate kaufe ich neue Säcke mit Holzchips. Dann regnet es, und die Chips verschwinden. Lösen sich auf, verteilen sich, werden von Vögeln aufgefressen, was weiß ich. Auf jeden Fall ist die Pfütze schon wieder ziemlich groß, was Mascha nicht abschreckt. Barfuß läuft sie durch den Matsch und klettert in die gelbe Plastikschaukel. Ich stelle mich hinter sie, um sie anzuschubsen. In den zwei Jahren, die wir hier wohnen, habe ich einen Großteil meiner Zeit an dieser Stelle gestanden, die Schaukel angestupst und auf die Rückseiten der Häuser in unserer Straße gesehen, die von hinten, ohne den Stuck, ohne die Steintreppen und die gusseisernen Zäune ziemlich unspektakulär aussehen.
Unser Haus steht genau in der Mitte des Blocks und ist eins der wenigen, die noch braun sind. Im letzten Jahr haben plötzlich fast alle ihre Häuser bunt angestrichen. Die Ersten waren Laura und Dan, Alices Eltern. Sie übernahmen das Haus von einer lesbischen Psychologin, die nach Manhattan zog, rissen Wände heraus, bauten Galeriefenster ein und strichen die Fassade. Die Nachbarn setzte das unter Druck, und einer nach dem anderen malte seine Vorderfront an, nur Bill nicht, unser Vermieter. Er hob verächtlich die Augenbraue, als er Lauras rotes Haus sah, und erklärte, Brownstonehäuser hätten braun zu sein, das sage ja wohl schon der Name.
Zwischen all den bunten Häusern sieht unseres nun aus wie das hässliche Entlein. Nur das rechts neben uns, Phyllis Cheslers Haus, ist noch grauer. Phyllis macht das Häuserspiel nicht mit. Wahrscheinlich verachtet sie ihre Nachbarn für ihren kleinbürgerlichen Konkurrenzkampf.
Im gelben Haus ganz links geht die Tür auf, und ich sehe Liz durch die Gärten auf uns zukommen. Sie hat ihre Tochter Elise auf dem Arm.
»Hi«, sagt Liz, umarmt mich, wirft einen prüfenden Blick in den Himmel und fragt, ob wir nicht lieber ins Haus gehen sollten. Ich würde gerne noch draußen
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