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Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach

Titel: Wo wart ihr, als die Finsternis hereinbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Levi
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bestimmten Punkt helfen … Ich konnte nichts erwidern … Was hätte ich sagen können? … Ich hätte ja nicht sagen können, daß ich auch mit einer neuen Hoffnung in bezug auf sie, auf uns hergekommen war. Ich weiß nicht, wie sie mein Schweigen deutete. Als wir in Haifa ankamen, setzte sie mich in der Innenstadt am Anfang einer Straße ab, die ich inzwischen sehr gut kenne. Sie beschrieb mir den Weg, den ich gehen sollte. Es war ganz nahe. Ich würde alleine zurechtkommen. Sie zöge es auch vor, wenn ich nicht anriefe, außer in Notfällen. Mir war, als bekäme ich eine Ohrfeige nach der anderen. Wieder sagte ich keinen Piep. Ich konnte mich nur bedanken. Ohne zu wissen, wofür. Ich weiß nicht, vielleicht bedankte ich mich dafür, daß sie mich vom Flughafen abgeholt und in die Stadt gebracht hatte, wo ich bleiben sollte, vielleicht weil sie mich mittendrin abgesetzt hatte, damit ich mich sofort, noch schneller an mein künftiges Leben gewöhnen sollte. In dem Moment war ich nicht imstande, das zu analysieren. Aber wahrscheinlich waren das meine Gefühle. Ich war mitten in der Arena … Ich konnte kein Wort Hebräisch, nur ein bißchen Englisch. Den Ulpan fand ich. Sie schauten in die Einschreibungsunterlagen. Ich mußte warten. Dann richtete ich mich dort im Internat ein. Lange habe ich mich gefragt, warum mich diese Frau so behandelt hat. Dann gab ich es auf. Ich gewöhnte mich sowieso schnell an mein neues Leben. Es blieb mir nichts anderes übrig … Zuerst besuchte ich die Grundkurse, als diese abgeschlossen waren, begann › mitkatmin ‹, also Hebräisch für Fortgeschrittene. Dort gab es viele Menschen wie mich, die aus unterschiedlichen Ländern, Kulturen gekommen waren, um in einem neuen Land ein neues Leben anzufangen. Das war wohl ein bißchen das Multikulturelle. Na ja, es gab auch Mädchen. Alle hatten sich das Prinzip zu eigen gemacht, ja keine feste Beziehung einzugehen, weil sie sich in das neue Leben integrieren wollten. Es wurde ein Existenzkampf geführt. Ich genoß die Freuden jener Tage. Ich war ein guter Schüler. Noch ehe ich den Fortgeschrittenenkurs in Hebräisch abgeschlossen hatte, schickten sie mich auf die Technische Hochschule in einen Kurs für berufsbezogenes Hebräisch. Wir waren neun Leute, davon acht aus Rußland. Ich war der einzige Türke unter ihnen. Der Kurs sollte vier Monate dauern. Doch weil dieser Kurs vom Arbeitsministerium und dem Ministerium für die Integration der Einwanderer gemeinsam veranstaltet wurde, schickten sie mich nach Ablauf eines Monats schon zum Einstellungsgespräch für das erstbeste Arbeitsangebot. Es ging alles sehr schnell. Ich begann in einer Projektfirma zu arbeiten. Bis diese Firma im Jahr 1985 geschlossen wurde und ich deswegen meine Arbeit verlor … Damals besuchte ich dann die Theaterschule Bejth Zwi. Dieses Mal war es ein siebenmonatiger Kurs für Leute, die die Altersgrenze für die Universität überschritten hatten. In jenen Tagen traf ich in Tel Aviv einen Freund aus Kindertagen, der schon lange vor mir aus Istanbul übergesiedelt war. Er machte nebenbei die Bemerkung: ›Bei uns, bei den staatlichen Elektrizitätswerken, werden immer Elektroingenieure wie du gebraucht‹. Er war dort in einer Direktorenposition. Ich bewarb mich und wurde eingestellt. Es war eine richtige Beamtenstellung. Das Einkommen war nicht besonders hoch, doch es gab unglaubliche Vergünstigungen. Außerdem war es keine ganz schlecht bezahlte Arbeit. Israel ist ein sozialistischer Staat, der die kapitalistischen Vorteile zu nutzen weiß. Deswegen gibt dir dein Einkommen die Möglichkeit zu einem menschenwürdigen Leben. Du hast deine soziale Sicherheit, hast genug zu essen und zu trinken. Das übrige hängt davon ab, wie du auf das Leben schaust, aus welcher Sicht …
    Ich weiß nicht, ob ich, wenn ich diese Arbeit nicht gefunden hätte, in einen Kibbuz gegangen wäre, den ich für eine der Einrichtungen halte, die den Sozialismus am besten umsetzen. Es ist gar nicht so leicht, dort aufgenommen zu werden. Doch ich habe es nicht versucht. Vielleicht habe ich es nicht gewagt. Außerdem wollte ich, wenn ich mich anpaßte, eher in der Bewegung sein. Ich trat der Arbeitspartei bei. Ich war einer der Organisatoren der Antikriegsdemonstrationen. Manchmal habe ich sogar davon geträumt, mich eines Tages zum Abgeordneten wählen zu lassen. Doch als ich mich näher damit befaßte, habe ich auch dort bei den Menschen Seiten gesehen, die ich nicht sehen wollte. Politische

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