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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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glaubt, dass sie sich gut um ihre Familie kümmert und Schaden von ihr fernhält. Dafür erntet sie keinen Dank. Ihr Mann jammert wegen des Geldes, das sie für Essen ausgibt, und ihr Sohn jammert, dass er einen McDonalds-Burger und eine Mountain-Dew-Limonade will.
    Jetzt schauen die beiden zu ihr hoch. Ohne ein Wort zu sagen, füllen sie ihre Teller. Justin teilt seinen in drei gleich große Abteilungen auf. »Ich will nicht, dass die einzelnen Sorten sich in die Quere kommen«, so hat er das einmal beschrieben – ihr Ehemann, der jetzt einen Stift in einer Hand und eine Gabel in der anderen hat, Salat kaut und gleichzeitig mit grüner Tinte eine Bemerkung an den Rand eines Schüleraufsatzes schreibt. Es ist still am Tisch, bis auf die Geräusche ihres Kauens und das Klappern und Sägen des Bestecks. Im Kamin platzt ein Harzeinschluss, und einen Augenblick schauen sie alle dorthin, wo orangene Flammenzungen über halb geschwärztes Holz lecken, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Tellern zuwenden.
    Als Karen in ihr Steak schneidet, ist es innen dunkelrot wie eine Pflaume, genau so, wie sie es mag. Bei einem durchgebratenen Steak steckt das verkohlte Äußere voller Karzinogene. Blut sammelt sich auf ihrem Teller und sie tunkt es mit Brot auf. Bevor sie es in den Mund steckt, sagt sie: »Will denn niemand was reden? Über irgendwas?«
    Justin kaut langsamer und leckt sich die Lippen. »Worüber willst du denn reden?« Zwischen seinen Zähnen steckt Spinat.
    »Überrasch mich.«
    Justins Blick wandert zum Fenster, wo im verlöschenden Licht die Schatten dunkler werden. »Mir fällt überhaupt nichts ein.« Er wendet seine Aufmerksamkeit wieder dem Salat zu. »Tut mir leid.«
    Graham legt seine Gabel weg und wischt sich mit seiner Serviette das Gesicht. »Dave Jasper hat in der Schule einen Verweis gekriegt.«
    »Wegen was?«, fragt Justin.
    »Weil er Waschbären getötet hat.« Sein Blick zuckt zwischen ihnen hin und her. »Sein Bruder fährt in seinem Pick-up raus, über Feldwege und in Alfalfa-Felder, sein Bruder und die Freunde seines Bruders, und sie nehmen Dave mit. Sie richten den Suchscheinwerfer auf die Waschbären, und die werden ganz starr, und sie springen aus dem Auto und töten sie mit Baseballschlägern.«
    Karens Hände fallen auf den Tisch und lassen das Geschirr klirren.
    Graham redet immer schneller; ihre Entrüstung regt ihn an, das merkt seine Mutter, wie ein Junge, der mit Eidechsen und Würmern spielt, mit Sachen, die sie zum Kreischen bringen. »Im Werken hat Dave diesen Schläger mit Nägeln darin gebastelt. Der sah total mittelalterlich aus, und Mr. Steele hat ihn gefragt, wozu er das macht, und Dave hat es ihm gesagt und deshalb bekam er den Verweis.«
    »Das ist ja widerlich! Das ist ja wie ein Serienmörder am Anfang seiner Karriere! Du hast doch gehört, dass die als Jungs Tiere gequält haben.« Ihre Stimme klingt beinahe amüsant entsetzt, aber als sie immer strenger wird, verschwindet das Lächeln von Grahams Gesicht. »Ich glaube, du solltest dich von diesem Jungen, diesem Dave fernhalten –«
    »Karen.« Justin bewegt leicht seine Hand. »Du solltest nicht überreagieren.«
    »Ich glaube nicht, dass ich überreagiere. Ich glaube nicht, dass ich überreagiere.«
    »Das ist verstörend, ich weiß. Aber Jungs machen eben verrückte Sachen. Ich habe auch verrückte Sachen gemacht.«
    Das ist köstlich. Ihr Mann, der sie schimpft, wenn sie ihre Schuhe draußen stehen lässt, der seine Socken zu ordentlichen kleinen Bällen zusammenrollt, denkt, er ist ein wilder Mann. Sie verschränkt die Arme und schaut ihn mit sarkastischem Grinsen an. »Was denn zum Beispiel?«
    »Frösche vor Autoräder werfen. Mit dem Luftgewehr auf Eichhörnchen und Hasen schießen. Als ich in der High School war, habe ich Murmeltiere für Geld umgebracht. Rancher zahlten uns zwei Dollar für ein Murmeltier. Wir hatten die ganze Ladefläche eines Pick-ups voll. Ich will damit nicht sagen, dass ich mit Freuden daran zurückdenke. Ich will damit nur sagen, dass es in der Natur von Jungs liegt.« Er hat sein Messer in der Hand. Die Spitze zeigt auf sie.
    Graham trinkt einen Schluck Milch und sagt: »Ich hatte dieses – ich –«
    »Ich will damit sagen, dass Dave Jasper was Blödes gemacht hat, aber eines Tages wird Graham wahrscheinlich auch was Blödes machen, weil Jungen eben blöde Sache machen, und du willst doch nicht, dass die Leute ihn für einen Spinner halten.«
    »Graham ist kein solcher

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