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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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wie Rauch. Nach ein paar federnden Schritten bleiben sie stehen und bewegen sich zur Musik und senken sich zu Boden, als würden sie sich niederkauern. Von ihnen kommt ein Geräusch, das Justin kennt – ein Schrei – der Schmerzensschrei eines Tiers, das sich in Stacheldraht verfangen hatte, während sein Vater heiser flüsterte: schieß, schieß, schieß. Er zuckt zusammen, wie von einem stumpfen Schlag getroffen, zuckt zusammen vor den Schatten des Waldes in seinem Kopf.
    Die Gestalten bewegen sich wieder. Als sie näherkommen, erkennt er sie als Bären, die alle auf wackeligen Beinen aufrecht gehen. Stacheldrahtstücke hängen an ihnen wie die Fäden einer unheimlichen Marionette. Ihr Pelz ist feucht von Blut. In einem kollektiven Atemzug schwellen die Brustkörbe an, als Vorbereitung zu einem anderen Schrei, der immer und immer weitergeht, während sie auf ihn zurücken, sich zu einer unregelmäßigen Sichel ausbreiten, die ihn wie ein schwarzer Knoten umschließen wird.
    Er wacht erschrocken auf, doch das Lied hallt noch durch seinen Kopf und das Gesicht seines Vaters materialisiert sich in jedem Schatten des Zimmers. Draußen kriecht der Mond höher in den Himmel, und seine Angst weicht einer unbehaglichen Vorahnung, als er an den Ausflug denkt – der Zweifel, ob er in der Lage sein wird, sein Gewehr und seinen Vater ruhig zu halten.

KAREN
    Heute Abend grillt sie Steaks. Sie meint, ihr Mann sollte das machen – sie meint, er sollte eine ganze Reihe Sachen machen, Gewichte stemmen etwa oder bei Footballspielen schreien und tropfende Hähne reparieren. Schließlich sind das Sachen, die Männer tun. Aber er ist nicht sehr geschickt mit den Händen und er hat keine Zeit fürs Fitnessstudio und der einzige Sport, für den er sich ein wenig interessiert, ist Fußball. Sie weiß nicht, was das richtige Wort für ihn ist? Zahm? Ist das vielleicht der Grund, warum er nicht viele Freunde hat?
    Wann immer sie ihn bittet zu grillen, stellt er sich blöd, fummelt an den Knöpfen herum und lässt die Grillzange fallen und stöhnt laut, sagt, er wisse die richtige Temperatur für Schweinefleisch nicht mehr, fragt, ob er alle Brenner anschalten soll und wie hoch. Das Fleisch ist immer trocken und zäh, wenn er damit fertig ist. Schon seit Langem bittet sie ihn nicht mehr um Hilfe, und jetzt steht sie auf der hinteren Veranda vor dem dreiflammigen Ducan Edelstahlgrill, in dem die Steaks brutzeln und zischen und der Rauch aufsteigt und sich mit dem Rauch aus ihrem Kamin vermischt. Der Abend ist kühl, und Justin hat einige Kiefernscheite von dem großen Stapel Holz, den sein Vater Anfang der Woche gehackt und aufgeschlichtet hat, in die Feuerstelle gelegt.
    Sie verwendet eine trockene Mischung aus Knoblauch, Salz, schwarzem Pfeffer und Zimt, dessen Süße die Schärfe der anderen Gewürze austariert. Sie legt die Steaks – große Porterhouse-Scheiben von einem grasgefütterten Angus-Rind, das sie schlachten ließen, um damit den Gefrierschrank in ihrer Garage zu füllen – für zehn Sekunden auf den Grill und dreht sie dann, um rundum die Poren zu schließen. Sie dreht die Flamme des mittleren Brenners ab und schließt den Deckel, so dass aus dem Grill eine Art Konvektionsofen wird. Hitzewellen steigen in die Höhe, aber sie tritt nicht zurück, auch nicht, als ihre Haut sich straff anfühlt und sie meint, sie wird gleich platzen, weil ihr Inneres größer ist als das Äußere.
    Als die Steaks fertig sind – sie merkt das, indem sie nur mit der Gabel daraufdrückt und den Widerstand des Fleisches spürt –, legt sie sie auf einen Teller und trägt sie ins Haus, wo ihr Mann am Küchentisch Aufgaben korrigiert und ihr Sohn in der neuesten Ausgabe des National Geographic liest.
    »Köpfe hoch, Münder auf«, sagt sie und stellt den dampfenden Teller neben die hölzerne Salatschüssel voller Spinat und Romanasalat und das in ein Tuch gewickelte selbst gebackene Mehrkornbrot. Alles ist organisch. Rinderhormone verursachen Krebs und lösen bei Mädchen schon mit neun Jahren die Periode aus. Pestizide im Salat verursachen Krebs und Autismus. Die Konservierungsmittel in Croutons verursachen Krebs. Die Konservierungsmittel im Salatdressing auf Mayonnaise-Basis verursachen Krebs und die Transfettsäuren darin verursachen Herzkrankheiten. Sie hat Newsletter wie The Daily Green abonniert und RSS -Feeds von Safemama.com. Sie kauft vorwiegend im Bioladen von Bend ein. Sie bemüht sich, vorwiegend lokale Produkte zu kaufen. Sie

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