Wölfe der Nacht
Augen, doch er grinst dabei, um zu zeigen, dass er keine Angst hat.
Die nächsten Minuten sitzen sie schweigend da. Dann fliegt eine Eule über das Feuer hinweg, die Flügel biegen sich im Aufwind nach oben, die Flammen flackern in der Luft, die sie verwirbeln. Justin bewegt die Beine. Seine Füße kribbeln wie von Nadeln gestochen, sie sind ihm eingeschlafen. Und der Stamm unter ihm fühlt sich plötzlich kalt und hart und unbequem an.
Justin wacht mit voller Blase auf und wagt sich aus dem Zelt und in die nächtliche Stille. Der Mond ist verschwunden, der Canyon wird nur noch vom grauen Licht der Sterne erhellt. Nach ein paar Schritten bleibt er stehen, und der Hall seines letzten Schritts und seines letzten Atemzugs sind die einzigen Geräusche. Die Haare auf seinen Unterarmen stellen sich auf, wie es oft passiert, wenn man sich beobachtet fühlt. Er denkt an die Geschichte seines Vaters, kann sie einen Augenblick lang, schlaftrunken, wie er ist, sogar beinahe glauben. Dann schüttelt er den Kopf und damit schüttelt er die Spinnwebe seiner Angst ab. Er bewegt sich zögernd weiter, weg vom Lager, hin zu der Stelle, die sie zu ihrer Toilette bestimmt haben.
Als er dann einen dampfenden Strahl Pisse ablässt, wandert sein Blick über den Himmel. Eine Eule fliegt eine Kurve und kreist dann, ihre Silhouette verdeckt die Sterne in der Form eines Munds. Er folgt ihr, bis sie mit dem Hintergrund aus einer Anhäufung schnell treibender Wolken verschmilzt. Sie kommen aus dem Westen. Eine Weile steht er so da – halb schlafend, verzaubert vom grauen Mysterium der Nacht –, und fünf Minuten lang oder vielleicht länger beobachtet er, wie sich die Wolken zu einem Gewitter wandeln, das kreuz und quer durchzogen ist von Blitzen wie von leuchtenden Drähten. Bald wird der Canyon dunkel werden vor Regen. Er schüttelt ab und eilt zum Lager zurück und dabei fällt sein Blick auf das verlassene Zelt in der Nähe. Sein schwarzer Höcker sieht aus wie die kauernden Überreste eines großen Tiers, das gerannt und gerannt ist, um genau hier zusammenzubrechen und zu verenden, wie die schattenerfüllten Skelette von Rindern in den John-Wayne-Filmen.
Er liegt wach, bis die Nacht erfüllt ist vom dumpfen, gleichmäßigen Geräusch des Regens. Die ganze Welt scheint zu zischen. Der Wind frischt böig auf, die Leinwand knattert und flattert, und dazu mischt sich ein Geräusch wie Peitschenknallen, als Äste von Bäumen brechen. Er schaltet seine Taschenlampe an und beleuchtet ihre vier Körper dicht zusammengedrängt in einem Zelt, das um sie herum durchhängt und atmet, mit vielen feuchten Flecken auf den Bahnen, von denen es auf seinen Schlafsack tropft.
Wenn man den Kopf aufs Kissen legt und lauscht – wirklich lauscht –, kann man Schritte hören. Das ist der eigene Herzschlag, die Adern in den Ohren, die sich ausdehnen und zusammenziehen und deren Bewegung sich auf die Baumwolle überträgt. Jetzt hört er seinen – ein Unter geräusch, hinter dem Regen –, nur ist sein Kopf nicht einmal in der Nähe seines Kissens. Er hat sich auf den Ellbogen gestützt.
Da ist es. Oder bildet er es sich nur ein? Das raschelnde Stapfen, das ein Fuß in feuchtem Gras macht – in einem Augenblick hinter dem Zelt, im nächsten davor, das Geräusch umkreist das Zelt.
Die Vorderklappe bläht sich im Wind auf, und der Wind trägt den scharf feuchten Geruch von Hasenpinsel herein, einen Geruch, bei dem er immer an Stacheldrahtzaun, an Sterben und Angst denken muss. Draußen verfangen sich Tausende Regentropfen im Strahl seiner Taschenlampe und blitzen auf. Er stellt sich vor, dass da draußen etwas ist, hereinstürzt – wie einfach wäre das – und sein Umriss Gestalt annimmt, wenn es aus der Dunkelheit ins Licht tritt.
Sein Vater stößt einen lauten Schnarcher aus. Justin richtet die Taschenlampe auf ihn, will Pst sagen. Die Finger seines Vaters zucken wie die Beine des Hundes, über den er seinen Arm gelegt hat. Sein Mund formt stumme Wörter, seine Augäpfel zucken unter den Lidern, und – nicht zum ersten Mal – fragt Justin sich, was da drinnen vor sich geht, in ihm.
Am Morgen weckt ein Niesanfall Justin. Er schnäuzt sich und wischt sich die Augen und sieht, dass sein Vater bereits aufgestanden ist, sein Schlafsack liegt zerknüllt und leer auf seiner Pritsche wie eine abgestreifte Haut. Justin riecht Holzrauch und hört das Knistern des Lagerfeuers aus dem Holz, das sie im Zelt aufbewahrt haben, damit es nicht nass wird.
Sein
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