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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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Knochen!« Sein Ton war beinahe wütend.
    Brian vergaß seine Fußstellung, seine Handschuhe, er sprang ihn einfach an und holte aus wie ein Straßenrowdy. Sein Vater, der so riesig war im Vergleich zu ihm, wich ihm mit ein paar schnellen Schritten aus. Dann täuschte sein Vater einen Haken zum Bauch an, und Brian zuckte zusammen und krümmte sich unter dem Schmerz, den er erwartete.
    »Also komm«, sagte sein Vater. »Ich habe dich gar nicht getroffen, und du tust so, als hätte ich dich getroffen. Du flennst ja fast.« Brian versuchte, sich zu beruhigen, zu atmen. Er nahm die klassische Boxerstellung ein und sprang vorwärts, und sein Vater jagte ihm eine kurze Gerade in den Mund. Brian wusste nicht, ob es der Schmerz oder der Schock oder die Demütigung war, aber er ging zu Boden – mit einem Klacken seiner Zähne – und blieb weinend liegen.
    Er erinnert sich an tief dunkelrotes Blut auf seinem Handschuh, als er ihn auf den Mund drückte, als hätte sein Vater eine Vene geöffnet. »O nein«, sagte sein Vater. »Nein, nein, nein.« Er zog die Handschuhe aus und drückte Brian an sich. »Es tut mir so leid. Es tut mir so leid.« Und nun weinten sie beide.
    Später wurde sein Schneidezahn, ein Milchzahn, grau und fiel schließlich aus, und Brian wachte mit zwanzig Dollar unter seinem Kissen auf. Über ein Jahr hatte sein Lächeln ein Loch, bis der Zahnarzt einen falschen Zahn einsetzte, der weißer und quadratischer war als die anderen. In dieser Zeit lernte er, nicht zu lächeln. Er lernte zu reden und dabei kaum die Lippen zu bewegen.
    Manchmal denkt er noch an das Loch – wie verletzlich es ihn machte, wie seine Zunge es dauernd ertastete –, wenn er vor Schlössern kauert, um sie mit seinen Werkzeugen zu öffnen. Jedes Haus ist ein Mund. Ihr Haus ist ein Mund.

JUSTIN
    Justins Vater füllt seinen und Grahams Rucksack mit Wasserflaschen, Tüten mit Studentenfutter, Erdnussbutter-Sandwiches, einem Erste-Hilfe-Kasten, wasserbeständigen Zündhölzern, einem Poncho, einem Kompass, Seilen und einem Bushnell Fernglas. Justin wird den Gerber Reserve Insulator tragen, einen sperrigen Rucksack mit vielen Taschen voller Kühltüten und Kühlfächern, um das Fleisch, das sie zu erlegen hoffen, aufzunehmen und zu kühlen. Vor einigen Jahren hätten sie so etwas noch nicht gebraucht, da im Oktober unweigerlich eine dünne Schneedecke diese Berge bedeckte. Er erinnert sich an Eiszapfen, die wie blaue Reißzähne von Ästen und Felsüberhängen hingen. An Reif, der Kiefernzapfen verzierte. An den vereisten Fluss. Heute Nachmittag aber wird die Temperatur bis über zwanzig Grad steigen. Fleisch verdirbt da schnell.
    Sein Vater zieht aus seinem Rucksack grell orangene Kappen und wirft sie Justin und Graham zu und sie setzen sie auf und wieder ab, um den Plastikriemen zu verstellen, damit sie gut passen. Dann streifen sie Westen derselben Farbe über. »Die Kürbis-Brigade« nennt Justins Vater sie.
    Justin findet die Flasche mit Hawaiian Tropic Sonnenschutz, die seine Frau eingepackt hat, und spritzt sich einen Klecks in die Hand. Er taucht den Daumen hinein und tupft die Lotion Graham auf Stirn, Nase, Wangen und Ohren und sagt ihm, er solle sie sich in die Haut massieren, und dann macht er bei sich dasselbe. Kokosnussgeruch erfüllt die Luft, und Boo kommt zu ihnen, um sie zu beschnuppern. Justin bietet auch seinem Vater den Sonnenschutz an, aber er lehnt ab. »Für Kinder.«
    Sie sind eben dabei, die Rucksäcke aufzunehmen und in den Wald aufzubrechen, als ein Geräusch sie hochschrecken lässt – das Splittern und Kreischen und Klirren von brechendem Glas. Es kommt vom anderen Ende der Wiese, wo ein Mann mit einer Brechstange in der Hand von einem Traktor zum anderen geht. Justins Vater hält sich die Hand über die Augen, um besser zu sehen, und beobachtet, wie der Mann sich auf die gelbe Motorhaube eines Bulldozers schwingt und die Windschutzscheibe einschlägt, so dass es um ihn herum Splitter regnet, die im Licht aufblitzen. Er fährt mit der Stange am Scheibenrahmen entlang, um alle übrig gebliebenen Glaszähne zu entfernen, die beim ersten Schlag nicht herausgebrochen sind. Dann schwingt er das Brecheisen in einem Halbkreis, als wäre es ein Samurai-Schwert und tut so, als würde er es in die Scheide stecken. Nun geht er zu dem leuchtend blauen Dixi-Klo und gibt ihm einen kräftigen Schubs. Es schwankt von einer Seite auf die andere, und als er sein Gewicht ein zweites Mal dagegenwirft, kippt es mit einem dumpfen

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