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Wölfe der Nacht

Wölfe der Nacht

Titel: Wölfe der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Percy
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zu früher aufgenommenen Interviews geschnitten. Der Reporter rammt einem Mann ein Mikrofon vors Gesicht, sein Bart ist silbrig, um den Mund herum vom Tabak orange gefärbt. Er trägt einen Hut mit Tarnmuster und ein Flanellshirt mit aufgenähter Kapuze. »Können Sie uns sagen, was Sie gesehen haben?«, fragt der Reporter aus dem Off.
    »Na ja.« Der Mann – Jim Ott, Zeuge, liest man auf dem weißen Laufband unten am Bildschirm – nimmt seinen Hut ab und kratzt sich den Kopf, bevor er sagt: »Ich will nicht sagen, er war es oder er war es nicht. Er, Sie wissen schon. Sasquatch. Ich weiß es nicht. Das ist alles sehr merkwürdig. Aber dieses Ding, das kann ich Ihnen sagen, war ein Bipede.« Er macht die Schultern breit und richtet sich auf, offensichtlich ist er stolz auf das Wort. »Und was die da draußen angeht, die jetzt sagen, ach, das ist ein Bär – nichts als ein Bär –, die will ich fragen, haben Sie einen Bären schon mal so was machen sehen?« Er verschwindet vom Bildschirm, und die Kamera braucht einen Augenblick, um ihn wiederzufinden. Dann sieht man ihn mitten auf der Straße stehen und Brians Bewegungen nachahmen, mit einem Arm vor dem Gesicht torkelt er dahin, wie ein hinterwäldlerischer Nosferatu.
    Dann kommt er lachend und kopfschüttelnd zum Reporter zurück. »Ich schwör’s bei Gott! Ehrlich! Das alles. Ich meine es ernst. Genau das habe ich gesehen. Aber ich sag Ihnen was. Es heißt immer, Bigfoot ist riesig, aber der da war klein.« Er denkt einen Augenblick nach. »Vielleicht war es ja ein Kind.«
    Der Bericht geht noch weiter, aber Brian hört davon nichts mehr, scheint nicht einmal zu atmen, bis die Nachricht zu Ende ist und ein Werbespot der Nationalgarde eingeblendet wird. Ein Mann mit Tarnfarbe im Gesicht springt aus einem Flugzeug in den nächtlichen Himmel und verschwindet in der Dunkelheit, als Brian den Fernseher ausschaltet.
    Als er sich angezogen und zwei Schüsseln Müsli verdrückt hat und zur OB Riley fährt, ist die Straße gesäumt von parkenden Pick-ups und im Wald wimmelt es von Männern mit Gewehren, alle geölt und feuerbereit. Auch Hunde sind überall zu sehen – Pointer und Labradore –, einige an Stoßstangen gebunden, andere frei durch den Wald und den langsam sich bewegenden Verkehr laufend. Er bremst bis Schrittgeschwindigkeit, kurbelt sein Fenster herunter und der kühle Wind trägt den Lärm bellender Hunde, abgefeuerter Gewehre und mit leiser Stimme sprechender Männer in die Kabine. Einen Mann hört er sagen, dass ein Bigfoot-Kopf sich an der Wand seines Büros wirklich gut machen würde, zwischen den lackierten Forellen und den Hirschtrophäen. Ein anderer fragt, ob es eine Art Kannibalismus wäre, einen Bigfoot zu essen.
    Sie reden über ihm und auch wieder nicht. Er kann nicht anders, er muss sie als Feinde betrachten. Die ihm ein Messer über die Kehle ziehen, um ihm eine blutige Halskette zu schneiden. Die ihm die Eingeweide aus dem Bauch reißen und sein Inneres mit dem Schlauch ausspritzen. Die ihm das Fleisch von den Knochen schälen und seinen Rumpf mit Knoblauchsalz und Cayenne einreiben, bevor sie ihn über heißen Kohlen grillen. Als ein Mann in einer Carhartt-Jacke ihn anschaut, wendet sich Brian hastig ab, weil er beinahe erwartet, dass er schreit: »Hierher. Das ist der, den wir suchen!« Und dann würden sie auf ihn einstürmen und mit den Fäusten, den Kolben ihrer Gewehre gegen seine Fenster hämmern, den Pick-up schütteln und schließlich umkippen und ihn aus der Kabine zerren, um ihn auf einem Bratspieß zu grillen, während sie stampfend ums Feuer tanzen.
    Der Magen dreht sich ihm um, und er atmet schneller vor Panik, die ihm einredet, er wird hier sterben, wenn er nicht sofort verschwindet. Erst als er, den Fuß nervös auf dem Gaspedal, um eine Kurve biegt, sieht er ihr Haus. Er hasst es, es so zu sehen, durch den störenden Verkehr hindurch, inmitten so vieler Männer, die herumtrampeln, als wären sie in Konkurrenz zu ihm. Aber solche Gedanken sind nur von kurzer Dauer, denn jetzt sieht er, dass das Garagentor sich senkt und der weiße Ford Focus von der Einfahrt auf die Straße biegt.
    Zwei Autos sind zwischen ihnen, deshalb fühlt er sich anonym, als er ihr nachfährt, durch den hügeligen Teil des Walds und hinein in die Stadt, wo sie auf den Parkplatz vor dem Safeway fährt. Er behält Abstand, fährt ans andere Ende des Platzes und wartet mit dem Abstellen des Motors, bis sie ausgestiegen und im Supermarkt verschwunden

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