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Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Wölfe und Lämmer: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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zurechtzufinden.
    »Wie sind Sie an den Job als Fernsehrichter gekommen?«
    »Wie die Jungfrau zum Kind. Jochen Prader, einer der Gründer von Prado-Film , kannte einen, der einen kannte, der mich kannte. Ich wurde zum Casting gebeten, und man fand mich telegen.«
    »Wußten Sie, was auf Sie zukommt?«
    »Nein, nicht so richtig.«
    »Was reizt Sie an Gerichtsshows?«
    Hannes leierte den einstudierten Text herunter: von der Möglichkeit, dem Zuschauer das Wesen der Justiz und des Rechts näherzubringen, und ähnlichen Schmonzes.
    »Was würden Sie tun, wenn es plötzlich aus wäre mit der Sendung?« fragte Mia Karpounis, und Hannes fragte sich, ob sie das Diktiergerät heimlich laufen hatte.
    »Noch bin ich Beamter.«
    »Sie glauben, daß Sie sich wieder ohne weiteres in den grauen Gerichtsalltag einfinden würden?«
    Garantiert hat sie das Band laufen, dachte Hannes und sagte: »Der Gerichtsalltag ist nicht grau. Was meinen Sie, wie zum Beispiel der Tag eines Haftrichters aussieht? Da gibt es kein langes Aktenwälzen, da muß schnell entschieden werden, manchmal sogar am Krankenbett oder sonstwo, weil jeder Verdächtige das Recht hat, gehört zu werden. Das ist spannend. Oder nehmen Sie das Ritual einer Verhandlung: ein öffentliches Schauspiel, das der Choreographie der Bürokratie folgt. Eine Gerichtsverhandlung ist wie ein intensives Theatererlebnis. Nur wird im Gericht die Wirklichkeit neu inszeniert.«
    »Wie darf ich das verstehen?« unterbrach sie sein Plädoyer.
    »Ganz einfach: Was hier nicht zur Sprache kommt, verschwindet in der Versenkung, als wäre es nie geschehen, und was gesagt wird, schafft neue Realitäten.«
     Und seine Sendung war ein Abklatsch davon, dachte er, eine in Teile zerlegte und schlecht wieder zusammengesetzte Kopie .
    »Bekommen Sie Heimweh, wenn Sie hier jetzt wieder im Gerichtsgebäude stehen?«
    »Ein bißchen schon.«
    Sie sahen eine Weile stumm aus dem Fenster. Vermutlich benutzte sie ein Männerparfum, ein Hauch davon hing in der Luft, und Hannes verspürte den Wunsch, die Augen zu schließen. Er ließ es sein, denn zum einen war er nicht körperlich müde, sondern nur innerlich leer und erschöpft, zum anderen schien sich hinter seinen Lidern das Bild des Toten, wie er auf dem Boden von Klaras Wildkammer lag, in seine Netzhaut eingebrannt zu haben, denn es tauchte zuverlässig wie ein Bildschirmschoner auf, sobald er die Augen schloß.
    Die Verhandlung war zu Ende, Menschen drängelten aus dem Raum, aber einige blieben neugierig stehen, als sie die Fotografin und den Beleuchter anrücken sahen. Hannes fühlte sich unwohl. In Hamburg konnte es geschehen, daß er mit dem Make-up im Gesicht in die Stadt ging, dort war es seine zweite Haut, die er zuweilen völlig abzulegen vergaß, aber nun kam er sich vor wie ein Clown am falschen Ort. Verlegen posierte er auf dem Platz des Richters. Ihm war, als beginge er ein Sakrileg.
    Danach bewegte sich der kleine Trupp hinab in die Katakomben des Amtsgerichts. Frau Karpounis wünschte paar Fotos im Flur zwischen den Arrestzellen. Hier gab es eine Neuerung. Der Haftrichter hatte sein Büro jetzt dort unten, in einer ehemaligen Hausmeisterwohnung, hinter schußsicherem Glas. Es war kühl und ruhig, ihre Schritte hallten von den Wänden wider. Die Zellen waren leer, und Hannes empfand es als Segen, daß der amtierende Ermittlungsrichter nicht anwesend war. Er war froh, als der Fototermin vorbei war und die Fotografin und der Beleuchter mit ihren Gerätschaften abzogen.
    »Wie sind Sie hergekommen?« fragte er Frau Karpounis.
    »Mit der Bahn. Das war das einfachste.«
    Seit jeher war die Justiz der Landeshauptstadt gleich hinter dem Bahnhof angesiedelt: Amtsgericht, Landgericht und die Staatsanwaltschaft.
    »Ist Ihnen am Bahnhof etwas aufgefallen?« fragte Hannes und lächelte.
    Sie verneinte.
    »Die Numerierung der Gleise und Bahnsteige geht von 1 bis 14. Aber Nummer 5 und 6 sucht man vergeblich.«
    »Es gibt sie tatsächlich nicht?«
    »Nein. Niemand weiß, warum. Es ist eines der großen Mysterien dieser Stadt. Wollen Sie mit mir nach Hamburg zurückfahren? Ich bin mit dem Wagen da.«
    Natürlich sagte die Journalistin nicht nein. Sicher hoffte sie, während der Fahrt noch das eine oder andere aus ihm herauszukitzeln.
    »Was hast du mit dem Gemüsebeet angestellt?«
    »Ich hab was gesucht«, murmelte Robin kleinlaut. »Ich bringe es wieder in Ordnung, ganz ehrlich. Aber ich wollte dich sowieso noch was fragen. Die Fotos, die ich letzte Woche

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