Woelfin des Lichts
war durchaus positiv. Michael erzählte gerne und ausschweifend über seinen Beruf, die Schriftstellerei, und versprach ihr mit einem Augenzwinkern, eines Tages ein ganz besonderes Buch auf den Markt zu bringen. Weiteres verriet er ihr allerdings nicht.
Sophie war eine ebenso große und schlanke Frau wie ihr Mann. Im Gegensatz zu ihm wirkte sie mit ihrem kurzen, dunkelbraun gefärbten Pagenkopf, ihrer Vorliebe für hochgeschlossene, akkurate Kleidung und ihrer zurückhaltenden Art unnahbar.
Sara mochte Michael auf Anhieb, wohingegen sie bei Sophie unsicher war, was mit dem Wissen zusammenhängen konnte, dass diese früher einmal, wenn auch nur für kurze Zeit, mit Jack zusammen gewesen war.
Dennoch hatte Sara dieses Gefühl der Wachsamkeit ihrer Na chbarin gegenüber schon bei ihrer ersten Begegnung verspürt. Bemüht, ihre Vorurteile zu vergessen, versuchte sie Sophie in ein Gespräch zu verwickeln, was ihr allerdings nur bedingt gelang.
Diese antwortete ihr zwar und lächelte liebenswürdig, jedoch kam e s Sara aufgesetzt vor. Seitdem sie wusste, dass es sich bei den Bewohnern dieses Ortes um Werwölfe handelte, war sie versucht herauszufinden, welche Stellungen ein jeder innerhalb des Rudels besetzten mochte.
Michaels ehemaligen Stand kannte sie bereits. Doch hier, wo andere Prioritäten gesetzt wurden, konnte sich dieser grundlegend geändert und durchaus ins Positive verschoben haben.
Langsam kam ihr der Verdacht, dass Jack ihren Nachbarn aufgetragen hatte, sich in seiner Abwesenheit um sie zu kümmern. Im Grunde genommen hatte Sara nichts dagegen, denn immer noch nagte die Angst an ihr, auch wenn sie von Simon nicht mehr belästigt worden war. Im Gegenteil, und dieser Umstand gab ihr zu denken. Es entsprach absolut nicht Simons üblicher Vorgehensweise, jetzt einfach aufzugeben. Nicht nach der festen Überzeugung, seinem Ziel näher gekommen zu sein.
Nachdenklich räumte sie das Geschirr ab und warf einen zufälligen Blick aus dem Fenster.
Marcs Auto hielt gerade jenseits des Gartenzaunes. Ein blonder Haarschopf erschien und alles deutete darauf hin, dass er nicht bei Jack nach dem Rechten schauen wollte, sondern bei ihr. Sara seufzte auf, einen weiteren gut gemeinten Besuch würde sie einfach nicht mehr ertragen können. Deshalb schlüpfte sie durch die Hintertür hinaus, zwängte sich durch eine schmale Lücke zwischen den Hecken hindurch und machte anschließend einen großen Bogen um die Cottages ihrer Nachbarn. Eigentlich wollte sie zum See, der seit ihrer dortigen Begegnung mit Jack zu ihrem Lieblingsplatz geworden war, doch auf der Landstraße, die sich rechts von ihr befand, fiel ihr eine Person ins Auge, die gerade die Straße verließ, ebenfalls zu den Wiesen abbog und genau auf sie zuhielt. Sara blieb wie angewurzelt stehen. Im ersten Moment dachte sie, dass es jemand aus den umliegenden Dörfern sein könnte, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, warum jemand eine solche Strecke zu Fuß zurücklegen sollte. Plötzlich blitzte am Straßenrand etwas auf, das ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Viel zu spät erkannte sie die Gefahr. Zur Hälfte verdeckt vom hohen Gras, parkte ein Mercedes am Straßenrand, den Sara sofort wiedererkannte. Das dunkle Metall funkelte in der Sonne wie schwarzer Chalzedon. Sara hatte damals, bei der Beerdigung ihrer Eltern, von Simon einen schwarzen Onyx geschenkt bekommen. Der Trauerstein war nur ein weiterer Beweis dafür, dass er sie ebenso wie den Mercedes, als seinen Besitz ansah. Wenige Tage vor ihrem Verschwinden hatte sie Simon das Schmuckstück zurückgegeben und gehofft, dass er den Hinweis zu deuten wusste.
Ihre Blicke huschten zu Simon zurück, während sie sich panikartig nach einem Fluchtweg umsah.
Zurück zu Michael und Sophies Cottage würde sie es nicht mehr schaffen. Die Entfernung bis zur Baumgruppe schien ebenfalls zu groß um sie rechtzeitig erreichen zu können, zudem würde sie sich nur noch weiter von Roseend entfernen. Folglich blieb sie einfach dort, wo sie war und ließ ihren Verfolger nicht aus den Augen. Sara hatte seine Überheblichkeit, die sich in seiner Mimik ebenso wie in seinen Bewegungen ausdrückte, zu hassen gelernt wie den ganzen Menschen, der dazugehörte. Wie bei ihrer letzten Begegnung trug er ein weißes Hemd und eine beige Leinenhose mit Bügelfalten, scharf wie eine Messerschneide. Als hätte er die Absicht genau dort weiterzumachen, wo sie vor vielen Jahren aufgehört hatten. Wie früher trug er sein braunes Haar kurz
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