Woge der Begierde
ihre Gedanken hinein. »Es ist einer der förmlicheren Räume im Haus, und wie ich schon sagte, kannst du alles verändern, ganz nach Belieben. Du wirst von mir keine Klagen hören.«
Daphnes erster Eindruck gleich beim Betreten war, dass jemand offensichtlich eine Menge Zeit und Geld auf die
Einrichtung verwandt hatte. Die Farben Blau, Gold und Creme zeigten sich durchgängig im ganzen Zimmer, und während alles, angefangen bei den Sofas mit dem goldfarbenen Damastbezug bis zu den schimmernden Seidenholztischen modisch über jede Kritik erhaben war, fand Daphne das Zimmer doch seltsam ungemütlich und kalt. Es hieß einen nicht willkommen, als sei es einzig dazu gedacht, zu zeigen, was man hatte, aber nicht, damit man sich gerne dort aufhielt oder es sich sogar auf einem der Sitzmöbel gemütlich machte. Das Feuer auf dem Gitter im Marmorkamin knisterte fröhlich und lockte sie. Sie trat davor und streckte die Hände aus, der Wärme entgegen, wobei sie höflich bemerkte: »Es ist ein sehr schönes Zimmer.«
»Und du hasst es«, erwiderte Charles mit einem Lachen. Seine Belustigung verblasste, und er schaute sich im Zimmer um. »Meine Stiefmutter Sophie war sehr stolz darauf.«
»Oh, es ist n-nicht so, d-dass ich es hasse«, stammelte Daphne. »Ich bin sicher, dass die meisten Leute es sehr nett fänden.«
Charles hob ihr Kinn mit einem Finger, sah ihr in die Augen. »Aber du nicht?«
Ihre Wangen wurden rot, und sie erklärte hastig: »Ich verabscheue es nicht; es ist nur nicht unbedingt so, w-wie ich es eingerichtet hätte.«
Er hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. »Dann müssen wir das ändern, nicht wahr? Es ist dein Heim, meine Liebste, und es sollte das widerspiegeln, was dir gefällt, nicht meiner Stiefmutter.«
Nur ein Einfaltspinsel hätte nicht spätestens an dieser Stelle gemerkt, dass es eine Verstimmung zwischen Charles und seiner Stiefmutter gegeben hatte. Und Daphne war alles andere als dumm. Dass er Sophie nicht erwähnt hatte,
bevor sie auf Stonegate eintrafen, war an sich schon verräterisch genug, aber noch mehr war das der Ton in seiner Stimme, wann immer er von seiner Stiefmutter sprach. Aus seinem Verhalten schloss sie, dass wenig Liebe zwischen den beiden geherrscht hatte, und dass seine Anwesenheit in diesem Haus hier alles wieder in ihm aufwühlte. Sie waren erst kurz hier, und schon spürte Daphne eine Veränderung in ihm. Etwas beunruhigte und verärgerte ihn. Sie konnte das an seiner Stimme hören, aus den zusammengekniffenen Lippen lesen. Sein Bruder, sein Neffe und seine Stiefmutter waren alle in weniger als fünfzehn Jahren gestorben. Waren es diese Tragödien, die ihn so beschäftigten? Sie schaute ihn forschend an, aber seine kühlen grünen Augen verrieten nichts.
Da sie der Ansicht war, dass es besser war, die Sache offen anzusprechen, erkundigte sie sich vorsichtig: »Du mochtest deine Stiefmutter nicht, oder?«
»Sie nicht mögen? Meine Liebe, du hast keine Ahnung«, erwiderte er gedehnt. »Ich habe sie verabscheut.« Er blickte sich im Zimmer erneut um. »Und je eher alles, was an sie erinnert, verschwunden ist, desto glücklicher werde ich sein.«
Der nackte Hass in diesen Worten erschreckte Daphne dann doch. »Oh, Charles! So schlimm ist sie doch sicher nicht wirklich gewesen, oder?«
Ein wenig frohes Lächeln spielte um seine Lippen. »Glaube mir, ihre Seele war schwärzer, als du dir vorstellen kannst.« Daphnes besorgte Miene bewegte ihn dazu, den Versuch einer Erklärung zu unternehmen. »Das hier war mein Heim«, sagte er langsam, »und ich habe es sehr geliebt, aber als mein Vater Sophie heiratete, änderte sich alles. Sie war sehr reich, und mein Vater … mein Vater brauchte
ihr Geld. Sie war der Eindringling, ein reicher noch dazu, aber sie gab mir und John das Gefühl, als gehörten wir hier nicht her, waren es noch nicht einmal wert, ihr die Füße zu küssen.« Er lachte harsch. »Sie war geschickt, das muss man ihr lassen - sie hat immer darauf geachtet, dass mein Vater nichts bemerkt hat, dass es für alle - meinen Vater eingeschlossen - so aussah, als sei sie eine liebevolle Stiefmutter, aber hinter seinem Rücken …« Sein Mund wurde schmal. »Sobald mein Vater gestorben war, machte sie aus ihren Gefühlen keinen Hehl mehr, und bis zu ihrem Tod habe ich hier nicht mehr Zeit verbracht, als absolut nötig war.«
»Aber nachdem dein Bruder John und sein Sohn Daniel gestorben waren, gab es doch nur noch euch beide. Wurde es da nicht besser?«, fragte
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