Woge der Begierde
war, durch rationale Erklärungen entkräften ließ, aber sie konnte einfach nicht vergessen, wie das Ding zurückgezuckt war, als sie darauf zugegangen war, noch wie der Singsang auf ihren Befehl so jäh verstummt war.
Sie schlang ihren Morgenrock fester um sich, wünschte sich, es wäre schon heller Tag. Sie blickte zu der Uhr auf dem Kaminsims, die dort leise tickte. Vier Uhr morgens. Bald würden die Dienstboten aufwachen und im Haus mit ihren Arbeiten beginnen, heißes Wasser ins Zimmer bringen und ein Tablett mit Tee … sie schloss die schmerzenden Augen, unterdrückte ein Gähnen. Sie sollte wieder ins Bett gehen, damit es so aussah, als sei alles in Ordnung, nicht, dass dem nicht so wäre.
Wenn die Magd, die später am Morgen mit dem Zinnbecken leise das Zimmer betrat, überrascht war, Miss Beaumont in einem Stuhl vor dem Kamin schlafend vorzufinden, so ließ sie sich davon nichts anmerken. Sie erledigte ihre Arbeit still und schlüpfte nach wenigen Minuten wieder aus dem Zimmer, schloss hinter sich die Tür.
Dieses Geräusch der sich schließenden Tür weckte Daphne. Sie schrak mit einem leisen Ausruf hoch und kam sich gleich darauf albern vor, als sie merkte, was sie geweckt hatte.
Daphne verschwendete wenig Zeit damit, sich zu waschen und anzuziehen, sodass sie schon eine halbe Stunde
später Goodson im Frühstückssalon überraschte, der gerade alles fürs Frühstück vorzubereiten begann.
»Oh, Miss! Zu dieser Stunde hatte ich Sie nicht erwartet«, rief er. »Ich werde gleich fertig sein und die Köchin unterrichten, dass Sie gerne frühstücken würden. Innerhalb kürzester Zeit werden wir etwas zu essen für Sie dahaben. Werden Ihre Geschwister mit Ihnen essen?«
Daphne schenkte ihm ein schwaches Lächeln und nahm auf einem der chintzbezogenen Sessel vor dem Fenster Platz, von dem aus man in den Garten neben dem Gebäude sehen konnte, und sagte: »Nein, mein Bruder und meine Schwester schlafen noch tief und fest in ihren Betten. Ich bin heute Morgen die einzige Frühaufsteherin. Eine Tasse Kaffee und etwas Toastbrot reichen mir völlig.«
Die Jahreszeit war nicht die schönste für den Garten, daher war Daphne erstaunt, als sie rote Geranien und weiße Kamelien vor dem grünen Blattwerk der Buchsbaumhecke blühen sah, die den Garten umschloss. Tau funkelte auf den Büschen, und obwohl es noch früh am Morgen war, verwandelte die Sonne die Tropfen schon in funkelnde Diamanten.
Nachdem er sie mit dem Nötigen versorgt hatte, wandte Goodson sich wieder seinem üblichen Arbeitsablauf zu. Von dem heißen Getränk nippend schaute Daphne in den Garten. Sie hatte gehofft, dass sie im Tageslicht in der Lage wäre, den merkwürdigen Zwischenfall der vergangenen Nacht abzutun, aber dem war nicht so. Wenn überhaupt, dann wuchs ihre Überzeugung nur, dass sie in der Nacht etwas Außergewöhnliches in ihrem Schlafzimmer beobachtet hatte. Sie seufzte und wünschte sich, sie hätte jemanden, der älter und klüger war als sie, der sich besser auskannte und mit dem sie besprechen konnte, was vorgefallen war.
Es stand außer Frage, Adrian oder April einzuweihen. Adrian würde es für ein großartiges Abenteuer halten und jede Nacht in ihrem Schlafzimmer auf der Lauer liegen wollen, in der Hoffnung, das Gespenst würde sich erneut zeigen. Und April würde bei jedem Geräusch zusammenzucken und erschreckt quietschen. Nein. Sie konnte es ihren Geschwistern nicht sagen. Mr. Vinton? Sie wurde rot. Dann würde er am Ende Adrians Vormund für eine alberne junge Frau halten, die zu hysterischen Anfällen neigte. Nein.
Daphne war sich nie zuvor in ihrem Leben so einsam vorgekommen, und bis zu diesem Moment hatte sie nicht begriffen, wie allein sie und ihre Geschwister im Grunde genommen auf der Welt standen. Sie hatten niemanden, auf den sie sich verlassen konnten - außer sich selbst. Und es war ihre Aufgabe, die kleine Familie zusammenzuhalten, zu beschützen - was bedeutete, sie durfte niemanden wissen lassen, was sie gesehen hatte … oder zu sehen geglaubt hatte. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war, dass irgendein Wichtigtuer auf die Idee kam, sie sei eine geistig verwirrte junge Dame, deren Fähigkeit, für Adrian und April zu sorgen, hinterfragt werden sollte.
Und man durfte auch nicht außer Acht lassen, dass ihr Bruder ja erst kürzlich zu Titel und Vermögen gekommen war. Adrians unerwartet großes Vermögen verursachte ohnehin genug Probleme. Sie zweifelte nicht, dass es Leute gäbe, skrupellose,
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