Woge der Begierde
erfüllt werden - was keine leichte Aufgabe ist, wenn man plötzlich drei völlig Fremde versorgen soll.«
Mrs. Hutton wurde vor Verlegenheit angesichts dieses Lobes rot. »Danke, Miss. Wir hoffen alle, dass es Ihnen, Ihrer Schwester und Sir Adrian hier gefällt.«
»Ich denke, das steht hier außer Frage«, erwiderte Daphne lächelnd und musste dabei an die enge Wohnung in London denken und die Nächte, die sie wach gelegen und sich den Kopf zerbrochen hatte, wie es nur weitergehen sollte und wie weit die magere Summe reichen würde, die ihr zur Verfügung stand.
»Nun, wenn das alles ist, werde ich die hier zur Köchin bringen«, sagte Mrs. Hutton und hielt die Menülisten hoch. »Sie ist entzückt, endlich wieder kochen zu können … Sir Huxleys Appetit war in den letzten Monaten seines Lebens so gering, dass er sich von kaum mehr als Brot und Brühe ernährt hat. Und dann stand das Haus natürlich die ganze Zeit leer.«
»Nach Sir Huxleys Tod stand das Haus leer?«, erkundigte sich Daphne interessiert.
Mrs. Hutton schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Wir haben regelmäßig gelüftet und Staub gewischt, und die Gärtner haben um das Haus alles in Ordnung gehalten, aber außer den Stallburschen hat hier niemand gelebt.« Ihre Lippen wurden schmal. »Lord Trevillyan hat uns noch vor Sir Huxleys Beerdigung mitgeteilt, dass wir entlassen werden würden mit nicht mehr als einem Empfehlungsschreiben, sobald der Besitz ihm gehören würde.« Sie schnaubte. »Er hat keinen Hehl daraus gemacht - er hatte schon ein schönes Herrenhaus mit mehr als genug Dienstboten und keinen Bedarf für einen weiteren Landsitz in der Gegend oder mehr Diener.« Sie wirkte ehrlich empört. »Er wollte das Haus leer stehen, es verfallen lassen. Eine Schande, sage ich - ein so schönes Haus wie Beaumont Place. Himmel, Sir Huxley würde sich im Grab umdrehen.«
»Solange sie ihre Arbeit ordentlich erledigen, muss niemand hier fürchten, entlassen zu werden«, antwortete Daphne begütigend. »Sir Adrian hat derzeit nicht vor, irgendetwas zu ändern. Er ist überaus zufrieden damit, wie Beaumont Place geführt wird.« Und solange die Köchin ihn weiter mit Gänse- und Truthahnpastete versorgt, dachte Daphne mit leiser Ironie, wäre es ihm auch egal, wenn Beaumont Place um ihn herum einstürzt.
»Oh, Miss, das zu hören ist so schön! Es war sehr schwierig für viele von uns, die in den vergangenen Jahren hier gearbeitet haben. Sir Huxley hat für die meisten von uns Legate hinterlassen, aber ohne Weiterbeschäftigung ist es für viele schwer gewesen. Wir waren überglücklich, als Mr. Vinton uns davon unterrichtete, dass ein neuer Erbe entdeckt worden sei.«
Daphne wich Mrs. Huttons Blick aus und begann mit dem Knauf einer Schublade an ihrem Schreibtisch zu spielen. »Ich habe mich gefragt«, begann sie, »wissen Sie, mit wem ich sprechen sollte, wenn ich mehr über die Geschichte der Familie und des Hauses erfahren möchte?« Sie lachte nervös. »Bis Mr. Vintons Brief bei uns eintraf, wussten wir gar nichts von Beaumont Place oder Sir Huxley. Wir müssen noch viel lernen.«
Mrs. Hutton strahlte sie an. »Sir Huxleys Mutter war eine begeisterte Historikerin - ich glaube, es gibt eine Sammlung mit Briefen, die sie zusammengestellt hat. Sie befindet sich in der Bibliothek. Goodson wird wissen, wo genau sie aufgehoben wird.«
Während sie einerseits durchaus froh war, von der Sammlung zu erfahren, sank Daphne doch das Herz angesichts der Vorstellung, sich durch Jahrzehnte, ja womöglich auch Jahrhunderte von höchstwahrscheinlich unerheblicher Information zu arbeiten. Die Sammlung würde vorwiegend aus Briefen zwischen liebenden Eltern und ihrer Nachkommenschaft bestehen, höflichen Nachrichten von Freunden und Verwandten, und vielleicht, wenn sie Glück hatte, um das Einerlei aufzulockern, dem einen oder anderen Liebesbrief. Wahrscheinlich, dachte sie niedergeschlagen, würde sie Wochen oder gar Monate dafür benötigen, all die Alltäglichkeiten im Leben der Familie Beaumont zu lesen, ehe sie auf einen Hinweis auf Gespenster oder Ähnliches stieß, wenn überhaupt.
»Ich würde sie sehr gerne sehen«, erklärte Daphne, »aber ich wüsste gerne, ob es jemanden gibt, der mir einen groben Abriss der Geschichte liefern kann.«
Mrs. Hutton nickte. »Vikar Henley ist genau der Mann, den Sie in dem Fall besuchen sollten. Er trägt die Geschichte
der Gegend hier zusammen und die der verschiedenen Familien, die hier leben. Das ist sein
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