Woge der Begierde
hinauf, war sich aber immer noch nicht schlüssig über seine Rolle in dieser Farce. Als sein Pferd an die letzte Kurve kam, ehe das Haus zu sehen war, drang von hinter ihm das rasch näher kommende Donnern von Hufen an sein Ohr. Er hatte kaum genug Zeit, sein Pferd auf den grasbewachsenen Wegrand zu lenken, als auch schon Adrian auf einem großen schwarzen Hengst und Daphne auf einem ebenso großen muskulösen grauen Wallach in Sicht kamen.
Sie ritten um die Wette, wobei Daphnes Wallach um eine Nasenlänge vorne lag; als sie ihn jedoch am Rand der Auffahrt entdeckten, zügelten sie die Tiere sogleich. Der Graue bäumte sich auf und wehrte sich gegen das Zaumzeug, er machte aus seinem Unmut keinen Hehl, sodass Charles nicht umhinkonnte, Daphnes Geschick und Anmut zu bewundern, mit denen sie das starke Tier mühelos unter Kontrolle brachte.
An diesem Morgen sah sie atemberaubend aus. Ihre Haut schimmerte rosig, ihre Wangen waren gerötet; sie trug ein dunkelblaues Reitkostüm aus Wolle mit schwarzen Tressen und Goldknöpfen, Halbstiefelchen aus schwarzem spanischem Leder und bot so das Bild einer modischen jungen Dame. Ein schwarzer Biberhut mit schmaler Krempe, geschmückt mit zwei scharlachroten Federn, saß in einem kecken Winkel auf ihrem Kopf, und ihr dickes schwarzes Haar, das sie im Nacken zu einem Knoten aufgesteckt hatte, betonte den zierlichen Schnitt ihres Gesichtes. Mit Kennerblick musterte Charles sie von Kopf bis Fuß, den hoch
angesetzten Busen, die schmale Taille und die wohlgeformten Schenkel, die sich unter dem Stoff abzeichneten, während sie im Damensitz auf dem unruhigen Pferd saß.
Charles hatte sich nie für einen sonderlich sinnlichen Mann gehalten, aber Daphne schien eine Seite an ihm zum Leben zu erwecken, von der er bislang nichts geahnt hatte. Der bloße Anblick des blauen Stoffes, der sich an die Umrisse ihrer langen Beine schmiegte, sandte einen Strahl der Lust durch ihn, und ein Bild dieser langen nackten Beine, die sich um seine Hüften schlangen, schoss ihm durch den Kopf. Das Bild war so wirklich, so lebhaft, dass er ihre seidige Haut beinahe unter seinen Fingern spüren konnte, und er war hilflos dem in ihm aufwallenden Verlangen ausgeliefert. Er kämpfte dagegen an, verfluchte im Stillen seinen ungebärdigen Körper und fragte sich insgeheim, ob er diese erlesene Folter bis zur Eheschließung wohl überleben würde. Die Chancen, entschied er, standen eher gegen ihn, während ein besonders uneinsichtiger Körperteil es ihm verflixt unbequem machte, im Sattel zu sitzen.
»Guten Morgen, Sir«, sagte Adrian, als sie bei Charles ankamen. »Es ist ein schöner Tag, um sich draußen aufzuhalten, nicht wahr?«
In der Hoffnung, dass sein Rock das verräterische Anzeichen seiner Erregung verbarg, nickte Charles. »Wirklich sehr schön«, antwortete er. Da er der Ansicht war, dass ein kluger Mann so viel Abstand wie nur nötig zwischen sich und die Versuchung legen würde, erwog er, Adrian zwischen sich und ihr zu behalten, aber Daphnes Anziehungskraft war zu stark. So legte er sein Schicksal in die Hände der Götter und lenkte sein Pferd neben ihren unruhig tänzelnden Wallach.
Er lächelte Daphne an. »Ich bin heute früh aufgewacht«,
erklärte er, »und dachte mir, ich könnte Sie vielleicht überreden, mit mir reiten zu gehen, nur um jetzt zu entdecken, dass ich zu spät bin.«
»Viel zu spät«, entgegnete Daphne fröhlich. »Vielleicht an einem anderen Tag, wenn ich Zeit habe.«
»Nun, es wäre jedenfalls schade, wenn Sie völlig vergebens herübergeritten wären«, bemerkte Adrian. »Möchten Sie vielleicht mit uns zusammen ein spätes Frühstück einnehmen?«
»Oh, ich bin sicher, Mr. Weston hat schon etwas anderes vor«, warf Daphne rasch ein.
»Wie es sich ergibt, habe ich keine anderen Verpflichtungen und stehe zu Ihrer Verfügung.« Mit einem engelsgleichen Lächeln fügte er leiser hinzu: »Und was das Frühstück angeht, so bin ich entzückt über die Einladung.«
Mit einem Achselzucken trieb Daphne ihr Pferd an, während die beiden Herren ihr in gemäßigterem Tempo folgten.
»Achten Sie nicht auf Daffy, Sir«, sagte Adrian, dem nicht entgangen war, dass sich seine Schwester schwerlich wie eine liebevolle Verlobte verhalten hatte. »Es gefällt ihr gar nicht, dass ihr Zügel angelegt werden sollen, aber es wird nicht lange dauern, dann hat sie sich gefangen, das werden Sie sehen.«
Leicht belustigt verfolgte Charles, wie seine Verlobte ihn mit höflicher
Weitere Kostenlose Bücher