Wogen der Sehnsucht
ihr Blick wurde sofort an den Kirchenbänken vorbei auf ein dramatisches Kunstwerk hinter dem Altar gezogen, dessen Fundamente vergoldete und polierte Marmorsäulen bildeten, auf denen eine Reihe von Engeln mit wunderschönen Flügeln und lebensgroße Heilige in verschiedenen Gebetshaltungen standen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ging langsam darauf zu, während sie sich umblickte und sich den Tag ihrer Hochzeit vorzustellen versuchte …
Jetzt war das Kirchenschiff nur spärlich beleuchtet, und die Bänke waren leer, abgesehen von einem älteren Mann, der in der zweiten Reihe saß und Rosenkränze betete. Ganz hinten stand eine Frau, die langstielige rote Rosen und Schleierkraut zu einem hübschen Gesteck auf einem hohen Ständer arrangierte, während ein kleines Mädchen mit den Blumen zu ihren Füßen spielte.
Lily beobachtete das Kind und bemerkte, wie konzentriert es die Rose in seiner Hand festhielt. Mit leicht gerunzelter Stirn machte es ein paar langsame, ernste Schritte nach vorn, und Lily wurde klar, dass es ein Spiel war. Die Kleine tat so, als wäre sie eine Braut, die einen Brautstrauß in der Hand hielt. Sie lächelte und spürte, wie ihr die Kehle eng wurde, während ihre Hand sich unbewusst über ihren Bauch legte.
„Lily.“
Sie wandte den Kopf, und Tristan sah das weiche Lächeln schwinden, als sie zu ihm und dem Priester herüberkam. Sie hat das Kind angesehen, wurde ihm mit einem schmerzhaften Stich in der Brust bewusst. Deshalb hatten ihre Augen so geleuchtet. Als er sprach, war seine Stimme hart.
„Wenn du so weit bist, dann könnten wir vielleicht mit dem beginnen, weswegen wir gekommen sind.“
„Weswegen wir gekommen sind?“ Sie runzelte die Stirn.
Sich des Priesters an seiner Seite bewusst, lächelte Tristan sie an und hoffte, dass Lily vernünftig genug war, die Warnung darin zu erkennen. „Um zu heiraten natürlich, querida .“
„Jetzt?“ Entsetzt riss sie die Augen auf, und ihre blassen Wangen bekamen Farbe. Tristan packte sie fest am Ellbogen und murmelte ein paar entschuldigende Worte auf Spanisch zu Vater Angélico. Dann zog er sie auf die Seite, bevor sie irgendetwas sagen konnte, was den Priester dazu veranlassen würde, diese sehr ungewöhnliche Eheschließung lieber doch nicht zu vollziehen.
Tristan hatte ziemlich viele Kontakte spielen lassen und der Kirche eine sehr großzügige Spende zusichern müssen, bevor Vater Angélico bereit gewesen war, den Erben einer der einflussreichsten Familien Spaniens mit einer völlig unbekannten, nicht katholischen Engländerin zu verheiraten. Jedes weitere Anzeichen, dass etwas mit dieser Verbindung nicht stimmte, würde ihn vielleicht dazu bringen, es sich anders zu überlegen.
„Ja, jetzt“, sagte er und achtete darauf, nicht zu laut zu sprechen. „Oder hast du deine Meinung geändert?“
Lilys Augen waren so dunkelgrau wie der englische Himmel vor einem Sturm, aber ob sie eher wütend oder eher verletzt war, konnte sie nicht sagen. „Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur … ich meine, ich wollte …“
„Was? Ein Designerkleid und ein Dutzend kleine Brautjungfern?“, spottete er.
Lily blickte mit einem traurigen, selbstironischen Lächeln zu Boden. „Das klingt so, als sei das ein völlig abwegiger Wunsch. Ich wusste, dass es eine kleine Hochzeit werden würde, aber ich dachte, dass vielleicht ein paar Mitglieder deiner Familie hier sein würden, und Scarlet und Tom …“
Tristan hätte fast gelacht bei der Vorstellung, wie Juan Carlos und Allegra ruhig in einer Bank saßen und ihm dabei zusahen, wie er einen englischen Niemand heiratete, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen. Er legte eine Hand unter ihr Kinn, hob ihr Gesicht an und sprach sehr leise.
„Diese Ehe ist eine geschäftliche Vereinbarung. Du weiß das, und ich weiß das, aber Vater Angélico glaubt, dass wir so verliebt ineinander sind, dass wir es nicht mehr abwarten können zu heiraten. Wenn du das also wirklich durchziehen willst, dann solltest du jetzt endlich anfangen, die Rolle der aufgeregten Braut zu spielen.“ Er hielt inne und senkte seine Stimme noch weiter. „Denn genau so wird unsere Ehe sein, Lily. Keine großen romantischen Gesten, keine epischen Gefühle, und wenn du nicht absolut sicher bist, dass du das akzeptieren kannst, dann solltest du jetzt besser gehen.“
Sie sagte nichts, sondern sah ihn nur an, die Augen verschleiert von Gefühlen, die er nicht deuten konnte. Das Schweigen dehnte sich aus und
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