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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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selbst verloren hatte.
    Als es vorbei war, hielt er sie fest und küsste sie wieder. Lang und sanft, so sanft, dass sie am liebsten geweint hätte.
    »Du bist ein guter Mann, Max Cerrasin«, sagte sie heiser.
    »Das war ich einmal.«
    Sie zog sich so weit zurück, dass sie ihn anschauen konnte. Im blassen Licht einer einzigen Lampe sah sie das, was sie sich bisher nicht einzugestehen gewagt hatte: Von dem Augenblick an, als sie ihn gesehen hatte, und erst recht seit ihrem ersten Kuss, war sie ein für alle Mal verloren gewesen. Sie hatte sich nicht auf die Liebe eingelassen, sie war Hals über Kopf hineingestürzt wie ihre geliebte Alice in ihr Kaninchenloch, in dem nichts mehr wirklich einen Sinn ergab. Wichtig war nur die Liebe selbst, das Gefühl, mit einem anderen Herzen in Verbindung zu treten. Sie konnte sehen, dass auch Max sich Sorgen machte. Sie waren an einen Ort gelangt, den keiner von ihnen vorausgesehen hatte, und sie konnten nicht wissen, wie es enden würde. Früher - gestern noch! - hätte ihr das Angst gemacht. Doch inzwischen hatte sie eine Menge gelernt. »Gestern habe ich mir über so vieles den Kopf zerbrochen, aber heute habe ich begriffen, was wichtig ist.«
    »Alice.«
    »Ja«, erwiderte sie leise. »Alice und du.«
    * * *
    Max lag neben ihr, ihren nackten Körper eng an sich gepresst, und starrte zur Decke hinauf. Es war lange her, dass er sich so gefühlt hatte. Er wollte die Nacht mit Julia verbringen, wollte neben ihr aufwachen, sie am Morgen wachküssen und über alles reden, was ihm gerade einfiel.
    Unter gewöhnlichen Umständen wäre das auch möglich gewesen, aber leider waren die Umstände alles andere als gewöhnlich, Ein Teil von ihr war dabei, auseinanderzubrechen, nur die schiere Willenskraft bewahrte sie davor.
    Er rollte sich auf die Seite und sah sie an. »Du bist so schön«, sagte er und fuhr mit dem Zeigefinger ihre volle Unterlippe nach.
    »Du auch«, antwortete sie. Ihre Nase berührte sein Kinn. Wenn sie lächelte, erinnerten ihre hellgrünen Augen ihn an einen nebelverhangenen Morgen im Regenwald. Kühl und tief und irgendwie magisch.
    »Du machst noch einen Romantiker aus mir«, meinte er.
    »Du bist doch längst einer.«
    Er grinste. »Ihr Psychologen müsst immer das letzte Wort haben, oder?«
    Bevor sie antwortete, sah sie ihn lange und durchdringend an. »Lüg mich nicht an, Max. Mehr verlange ich nicht von dir, okay? Mach mir nicht vor, du würdest etwas empfinden, was du nicht empfindest.«
    »Ich hab dir nie etwas vorgemacht, Julia.«
    »Dann erzähl mir was Richtiges.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie sah zu der Kommode hinüber, auf der mehrere gerahmte Bilder standen. Bilder aus seinem früheren Leben. »Zum Beispiel von deiner Ehe.«
    »Sie hieß Susan O‘Connell. Wir haben uns auf dem College kennengelernt. Ich hab mich auf den ersten Blick in sie verliebt.«
    »Und dann?«
    Eine Sekunde wandte er den Blick ab, dann begriff er, dass es nichts nützte. Ihre Augen sahen alles, er konnte seinen Schmerz ganz sicher nicht dadurch verbergen, dass er wegschaute. »Glaub mir, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für dieses Gespräch.«
    »Wird der richtige Zeitpunkt denn jemals kommen?«
    »Das wird er«, antwortete er leise.
    Sie gab ihm einen zarten Kuss und richtete sich anschließend auf. »Ich gehe jetzt lieber. Alice schläft schlecht zurzeit. Wenn sie aufwacht und ich nicht da bin, kriegt sie womöglich Panik.« Beim Namen des Mädchens zitterte ihre Stimme.
    »Vor Gericht werden alle erkennen, dass du am besten für sie geeignet bist.«
    »Vor Gericht«, wiederholte sie seufzend.
    »Du glaubst nicht, dass man dort die richtige Entscheidung treffen wird?«
    »Ich fürchte, ich kann im Augenblick nicht darüber nachdenken. Wenn ich es tue, mache ich schlapp. Momentan will ich mich darauf konzentrieren, zu beweisen, dass er als Vater nichts taugt. Einen Schritt nach dem anderen.«
    »Du wirst mich brauchen.«
    Ruhig lächelte sie ihn an. Etwas in ihrer Brust löste sich und machte ihr das Atmen leichter. »Ja, ganz bestimmt.«
    Die Nacht verging für Ellie in einem Strom dunkler Träume und schrecklicher Bilder. Als sie in der Morgendämmerung erwachte, war sie gereizt und nervös. Zuallererst zog sie die Akte wieder heraus - sie hatte den Text inzwischen so oft gelesen, dass sie ihn schon beinah auswendig konnte. In den vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte sie mit jedem Polizeirevier gesprochen, das je mit dem Fall Azelle zu tun gehabt hatte. Außerdem hatte

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