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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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dem Schuppen.
    Cal legte ihr erneut die Hand auf die Schulter. »Bleib in Bewegung.«
    Sie nickte, aber sie hörte, wie belegt seine Stimme klang. Der Kloß in seinem Hals entsprach genau dem Brennen in ihren Augen. Langsam ging sie weiter, inspizierte alles von dem Abfallhaufen neben einem alten moosbewachsenen Baumstumpf bis zu der dreckigen, fleckigen Matratze, die zwischen zwei Douglastannen lag. Überall waren Tierspuren, das Lager musste schon lange verlassen sein, die Aasfresser hatten ihr Werk bereits getan.
    Zwischen den Bäumen, nicht weit von der Matratze, fand Ellie eine alte Truhe, beinahe zugerostet. Erst nach mehreren Versuchen schaffte sie es endlich, sie zu öffnen. Darin fand sie Ausschnitte aus einer Zeitung, die in Spokane erschien das meiste waren Berichte über Prostituierte, die von der Straße weg verschwunden und nie gefunden worden waren.
    Der letzte Artikel stammte vom 7. November 1999. Außerdem waren mehrere Pistolen und eine blutverkrustete Armschlinge in dem Kasten.
    Am Boden der Truhe, unter Binden und Zeitungsausschnitten und schmutzigem Silberbesteck, lagen eine gelbe Regenjacke aus Plastik und eine schmuddelige Batman-Baseballkappe.
    Azelle, der dicht hinter Ellie stand, stieß einen entsetzten Schrei aus. »Er hat es gesehen! Dieser Blumenlieferant hat den Entführer gesehen, direkt vor meinem Haus!«
    Ellie drehte sich bewusst nicht um, sie konnte Azelle nach wie vor nicht ansehen. Sie hörte nur, wie er auf die Knie fiel.
    »Wenn sie doch nur auf den Blumenmann gehört hätten, dann hätte man sie vielleicht gefunden, bevor er ... das hier anrichten konnte. O mein Gott.«
    Als er in Tränen ausbrach, schloss Ellie die Augen. Sie hatte ihren Job erledigt, sie hatte die Wahrheit herausgefunden.
    Doch es war nicht die Wahrheit gewesen, die sie sich gewünscht hatte.
    * * *
    Alices Herz klopft heftig in ihrer Brust. Sie weiß, dass es besser wäre WEGZULAUFEN. Aber sie kann doch Dschulie nicht alleinlassen.
    Trotzdem, sie hört auch die Stimmen hier. Die Blätter und die Bäume und den Fluss. Das sind die Geräusche, an die sie sich erinnert, und obwohl sie die Angst spürt, ist da noch etwas anderes, etwas, das sie dazu bringt aufzustehen.
    Wolf streicht an ihr vorbei, er hat sie lieb. Nicht weit entfernt wartet sein Rudel schon auf seine Rückkehr. Das weiß Alice. Sie hört die Schritte, das Knurren, das sind die leiseren Geräusche, sanfter als die raschelnden Blätter und das Rauschen des Wassers. Die Laute des Lebens, die diese Dunkelheit füllen.
    Sie bückt sich. Es dauert lange, aber schließlich schafft sie es, Wolf von dem ekligen Ding zu befreien, das sein Gesicht und seinen Nacken zudeckt und riecht.
    Voller Verständnis blickt er zu ihr auf.
    Sie ist traurig, ihn noch einmal zu verlieren, doch ein Wolf braucht seine Familie.
    »Los«, flüstert sie.
    Er heult und leckt ihr das Gesicht.
    »‘süss«, sagt sie.
    Dann ist er weg.
    Alice schaut zu Dschulie, und ihr Herz wird so groß, dass es beinahe wehtut. Sie weiß, was sie Dschulie sagen möchte, aber ihre Wörter reichen nicht. Also nimmt sie Dschulies Hand und führt sie in einem großen Bogen um die Stelle herum (sie möchte die Höhle nicht wiedersehen, o nein). Sie klettern über einen der Bäume, die Er gefällt hat, und bahnen sich vorsichtig einen Weg durch ein Brennnesselfeld.
    Da ist es.
    Ein Hügel, mit Steinen bedeckt.
    »Mommy«, sagt Alice und deutet auf die Steine. Eigentlich hat sie gedacht, sie hat das Wort vergessen. Früher einmal, vor langer Zeit, da hat ihre Mommy Alice geküsst, genauso wie Dschulie es jetzt macht ... Mommy hat sie warm zugedeckt, mit einer Decke, die nach Blumen roch.
    Vielleicht sind das auch nur Träume. Sie ist nicht sicher. Sie erinnert sich an einen Augenblick: Wie sie sich zu Alice herunterbeugt, ihr einen Kuss gibt und flüstert Sei lieb. Für Mommy. Vergiss sie nicht.
    »O Baby ...« Dschulie nimmt Alice in die Arme und drückt sie fest an sich, wiegt sie hin und her.
    Alice wünscht sich, es würde Wasser aus ihren Augen kommen wie bei einem echten kleinen Mädchen, aber irgendwas stimmt nicht mit ihr. Das Herz tut ihr so schrecklich weh, dass sie es kaum aushalten kann. »Liebe Dschulie«, sagt sie.
    Dschulie küsst Alice, so, wie es Mommy früher gemacht hat. »Ich hab dich auch lieb.«
    Alice lächelt. Jetzt ist sie in Sicherheit. Sie schließt die Augen und schläft ein. Im Traum ist sie zwei Mädchen - die große Alice, die mit den Fingern zählen kann und ihre

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