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Wohin das Herz uns trägt

Wohin das Herz uns trägt

Titel: Wohin das Herz uns trägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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- die aufgerissenen Augen, der staunend offenstehende Mund. Indem Julia an ihr vorbeiging, hörte sie die Frau flüstern: »Sie ist es. Diese Psychologin, die ...«
    Sie ging weiter. Am Ende der Gangway rannte sie beinahe. Dann entdeckte sie Ellie in der Menge, in ihrer blauen Uniform, umwerfend schön wie eh und je.
    Natürlich wusste sie, dass sie stehen bleiben und so tun sollte, als wäre alles in Ordnung, das wäre klug gewesen. Und richtig.
    Aber sie marschierte einfach weiter.
    Im Laufschritt durchquerte sie die Halle bis zur Damentoilette, schlüpfte hinein, verschwand in einer der Kabinen, knallte die Tür hinter sich zu und setzte sich hin.
    Beruhige dich, Jules. Tief durchatmen.
    »Bist du da drin, Julia?« Ellies Stimme klang atemlos und ein wenig irritiert.
    Langsam und zittrig atmete Julia aus. Eine Panikattacke war schlimm, aber eine Panikattacke vor der Nase ihrer Schwester - das war nahezu unerträglich. Also stand sie mühsam auf und öffnete die Tür. »Ja, ich bin hier.«
    Ellie stemmte die Hände in die Hüften und starrte sie an. Eine Polizistin, die sich einen Überblick über die Situation verschafft. »Seit O.J. Simpson hab ich so einen Flughafenspurt nicht mehr gesehen.«
    »Ich musste dringend aufs Klo.«
    »Vielleicht solltest du mal zum Urologen.«
    »Nicht deswegen. Ich ...« Julia kam sich vor wie ein Idiot. »Eine Stewardess hat mich erkannt. Und mich angesehen, als hätte ich diese Kinder umgebracht.« Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde, und wusste, dass sie noch etwas sagen sollte. Erklären. Aber ihre Schwester würde das sowieso nicht verstehen. Ellie war wie eine von diesen Pionierfrauen, die auf dem Acker ihr Kind zur Welt brachten und dann wieder an die Arbeit gingen. Ihre Schwester hatte keine Ahnung, wie man sich fühlte, wenn man hochsensibel war.
    Aber Ellies strenger Blick wurde bereits sanfter. »Die können dir doch allesamt den Buckel runterrutschen. Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen.«
    Julia hätte ihren Rat gern befolgt, aber das ging nicht, weil sie sich immer und überall akzeptiert fühlen musste. Als Psychologin wusste sie natürlich, was der Grund für dieses Bedürfnis war - dass ihre beliebte, strahlende Familie ihr irgendwie das Gefühl vermittelt hatte, unwichtig und eine Außenseiterin zu sein, dass ihr Vater ihr seine Liebe nie gezeigt und sie damit noch in dem Glauben bestärkt hatte, nicht liebenswert zu sein -, aber dieses Wissen machte das Bedürfnis nicht geringer. Sie hätte nicht einmal genau sagen können, wie es eigentlich entstanden war. Sie wusste nur, dass ihr Beruf, die Fähigkeit, anderen zu helfen, diese erschreckende Leere in ihr mit Freude gefüllt hatte. Doch jetzt fürchtete sie sich wieder. »Es ist nicht so leicht für mich. Das verstehst du nicht.«
    Ellie lehnte sich an die blassgrün gekachelte Wand. »Warum? Weil du denkst, dass ich kaum gescheiter bin als ein Regenwurm, oder weil ich in meinem Leben sowieso nichts zu verlieren habe?«
    Auf einmal wünschte sich Julia, sie hätte ein besseres Gedächtnis. Bestimmt hatten sie doch früher manchmal zusammen gespielt und Geheimnisse statt Sticheleien ausgetauscht.
    Bestimmt hatte es Zeiten gegeben, als sie miteinander geredet und gelacht hatten, statt bei jeder sich bietenden Gelegenheit in unbehagliches Schweigen zu verfallen. Aber falls es jemals so gewesen war, hatte Julia es vergessen. Sie erinnerte sich nur daran, wahlweise die »Intelligenzbestie« oder der »komische Vogel« gewesen zu sein, die Bohnenstange, die in einer Familie zierlicher Menschen viel zu groß wurde und Dinge wollte, die niemand verstehen konnte. Ein Pilz in einer Orchideenfamilie. Bei Fremden fand sie die richtigen Worte, aber nicht bei ihrer Schwester. Sie seufzte. »Lass uns damit aufhören, Ellie, ja?«
    »Du hast recht. Gehen wir.«
    Ehe Julia antworten konnte, stolzierte Ellie auch schon aus der Toilette, und Julia blieb nicht viel anderes übrig, als ihr zu folgen.
    Bei ihrem Wagen - einem hässlichen weißen Suburban mit Türen in Holzoptik - blieb Ellie gerade lange genug an der hinteren Tür stehen, um ihre Tasche auf den Rücksitz zu werfen, und stapfte dann zur Fahrerseite.
    Julia kämpfte mit ihrem Koffer. Nach dem zweiten Versuch schaffte sie es schließlich, ihn zu verstauen, knallte die hintere Tür zu, ging zur Beifahrerseite und stieg ein.
    Sobald Ellie den Motor anließ, plärrte die Stereoanlage los. Irgendein Typ mit einer näselnden Stimme sang etwas von der Tasche eines

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