Wohin das Herz uns trägt
danach fragt, tun wir ganz geheimnisvoll und erzählen ihm hinter vorgehaltener Hand, wo das Mädchen ist. Dabei könnt ihr sagen, was ihr wollt, nur mein Haus dürft ihr nicht erwähnen, um keinen Preis. Dort wird sie nämlich sein. Auf das Grundstück der Polizeichefin werden die sich nicht trauen, und wenn doch einer die Frechheit hat, werden wir rechtzeitig von Jake und Elwood gewarnt.«
»Wir sollen also die Presse anlügen?«, fragte Violet ehrfürchtig.
»Ja, genau. Hoffentlich können wir sie damit ablenken, bis wir den Namen des Mädchens herausfinden. Und noch etwas. Keiner erwähnt Julia. Auf gar keinen Fall.«
»Wir lügen!«, rief Marigold aufgeregt wie ein kleines Hündchen und klatschte in die Hände. »Das wird ein Spaß!«
»Doch denkt daran«, mahnte Ellie, »bis ihr was anderes von mir hört, lügen wir auch bei Mort. Niemand außerhalb dieser vier Wände erfährt die Wahrheit.«
Violet fing an zu lachen. »Auf uns können Sie sich verlassen, Ellie. Diese Reporter werden das Mädchen bis rauf nach Yukon suchen. Und ich weiß nicht, wie es bei den anderen ist, aber ich hab noch nie was von Dr. Julia Gates gehört. Ich glaube, die arme Kleine wird von Dr. Welby betreut.«
Kapitel 9
Während Ellie den Wagen parkte, ging Julia schon ins Krankenhaus. Als sie kurz vor dem ehemaligen Kindertagesraum um die Ecke bog, stieß sie frontal mit einem Mann zusammen.
Er stolperte einen Schritt zurück und schimpfte: »Können Sie denn nicht aufpassen, ich bin ...«
Julia bückte sich nach der schwarzen Leinentasche, die ihm aus der Hand gerutscht war. »Tut mir leid, ich bin ein bisschen in Eile. Alles okay bei Ihnen?«
Er schnappte sich die Tasche, dann blickte er auf.
Julia runzelte die Stirn. Irgendwie kam der Mann ihr bekannt vor mit seinen kurzen rötlichen Haaren und der dicken Brille. »Kennen wir uns?«
»Nein. Tut mir leid«, brummte er und sah schnell weg. Dann rannte er ohne ein weiteres Wort davon.
Seufzend hob Julia ihre Mappe auf und setzte ihren Weg fort. Seit der Tragödie in Silverwood passierten ihr solche seltsamen Dinge häufiger.
Ein paar Minuten später trudelten Peanut, Max und Ellie ein.
Sie stellten sich an das Fenster und spähten in das ehemalige Spielzimmer. Abgesehen vom Schimmer der Nachtlichter und dem schwachen goldenen Schein einer Deckenlampe, die sie hatten brennen lassen, war der Raum dunkel.
Das Mädchen lag auf dem Boden, zusammengerollt, die Arme um die Schienbeine geschlungen. Die Matratze neben ihr war leer, die Laken unbenutzt. Aus dieser Entfernung und ohne gutes Licht sah es aus, als würde sie schlafen.
»Sie weiß, dass wir sie beobachten«, meinte Peanut.
»Ich dachte, sie schläft«, entgegnete Ellie.
»Nein, dafür liegt sie viel zu still«, sagte Julia. »Peanut hat recht.«
Peanut schnalzte besorgt mit der Zunge. »Das arme Ding. Wie können wir sie von hier wegbringen, ohne ihr noch mal so eine Höllenangst einzujagen?«
»Wir haben ihr ein Beruhigungsmittel in den Apfelsaft gemischt«, antwortete Max. Dann wandte er sich an Julia. »Können Sie sie dazu bringen, das Zeug zu trinken?«
»Ich denke schon.«
»Gut, dann probieren wir es aus. Sollte es nicht funktionieren, müssen wir eben auf Plan B zurückgreifen.«
»Was ist Plan B?«, erkundigte sich Peanut mit großen Augen.
»Eine Spritze.«
Dreißig Minuten später knipste Julia das Licht an und betrat den Raum. Obwohl das »Team« sich vom Fenster entfernt hatte, wusste sie, dass die anderen im Schatten standen und sie beobachteten.
Das Mädchen rührte keinen Finger und zuckte auch nicht mit der Wimper. Sie lag einfach nur da, zusammengerollt wie ein Igel, die Beine dicht an die Brust gezogen.
»Ich weiß, dass du wach bist«, stellte Julia im normalen Gesprächston fest und platzierte das Tablett auf dem Tisch. Darauf standen ein Teller mit Rührei und Toast, die grüne Schnabeltasse aus Plastik enthielt den Apfelsaft.
Sie setzte sich auf den Kinderstuhl und aß ein Stückchen Toast. »Mjamjam. Das ist lecker, aber es macht durstig.« Sie tat so, als würde sie einen Schluck aus dem Strohhalm trinken.
Nichts. Keine Reaktion.
Fast eine halbe Stunde saß Julia da, gab vor zu essen und zu trinken und redete mit dem Kind, das aber nicht auf sie reagierte. Mit jeder verstreichenden Sekunde machte sie sich mehr Sorgen. Sie mussten das Mädchen schnell hier herausholen, bevor die Presse am Ende auf die Idee kam, in der Klinik nach ihr zu suchen.
Schließlich schob sie ihren Stuhl
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