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Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition)

Titel: Wohllebengasse: Die Geschichte meiner Wiener Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Bonyhady
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höchst stilvoll ihre Kleider ablegte; diesmal aber trug sie ein Trikot, um den Gesetzen Genüge zu tun. Während diese Einschränkung eine erbitterte Debatte über Kunst und Obszönität, Nacktheit und Nudität hervorrief, gingen Hermine und Moriz mit der Feministin und Sozialistin Elisabeth Luzzatto und ihrem Mann, dem Fabrikanten Maximilian, wieder einmal ins Theater; sie waren damit unter den wenigen, die aus eigener Erfahrung über beide Auftritte der Mata Hari sprechen konnten.

Bilder
    DAS FIN DE SIÈCLE WAR die erste große Zeit der Plakate. Einen beträchtlichen Anteil daran hatte der französische Maler Jules Chéret, der in den späten 1860er Jahren Farblithografien für eine wirkungsvolle Form der Werbung eingesetzt hatte; wesentlich waren eine effektvolle Zeichnung, wenige Farben, ein simpler Text und eine schöne junge Frau als Hauptmotiv. In den 1890er Jahren folgten bereits zahlreiche Künstler in Europa und den Vereinigten Staaten Chérets Beispiel, andere hingegen waren innovativer. Die Plakate wurden an Plakatwänden und Anschlagtafeln angebracht, bald jedoch erkannte man, dass sie auch Sammlerstücke waren. Viele zeigten Produkte, um die ein starker Konkurrenzkampf und große Nachfrage herrschten, und dazu gehörten auch die neuen Beleuchtungskörper. Die Beziehung der Gallias zur modernen Kunst begann, als Moriz ein Plakat für Auer von Welsbachs Gasglühlichtgesellschaft in Auftrag gab. Das Bild von Heinrich Lefler, das den Glühstrumpf anpreist, war das erste wichtige Plakat eines österreichischen Künstlers. Durch den Auftrag an ihn war Moriz führend daran beteiligt, dass Österreich einen internationalen Trend aufgriff.

Das Plakat von Heinrich Lefler, das Moriz für Auer von Welsbachs Gasglühlichtgesellschaft in Auftrag gab.
    Eine seiner eigenen Firmen, Watt, folgte bald diesem Beispiel und beauftragte den italienischen Künstler Adolphe Hohenstein, ein Plakat zu entwerfen, das die Monowatt-Glühbirnen bewerben sollte. Moriz kümmerte sich auch darum, dass die Gasglühlichtgesellschaft als eines von wenigen Unternehmen regelmäßig in den Ausstellungskatalogen der Secession inserierte; nicht nur, um Kunden zu akquirieren, sondern auch, um die Zeitschrift zu sponsern. Moriz’ wichtigste Beziehung zur Kunst war jedoch eine private Sache. Fünfzehn Jahre lang waren Hermine und er nicht nur bedeutende Sammler, sondern auch kulturelle Philanthropen, die dem Staat weitaus mehr zukommen ließen, als sie für jedes ihrer eigenen Bilder ausgaben.
    Adele Bloch-Bauer, Sujet von Klimts berühmtestem Porträt aus seiner »goldenen« Phase, und ihr Ehemann Ferdinand sind ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, das Sammelverhalten von Wiener Ehepaaren zu beschreiben. Oft wurde angenommen, Adele sei nicht bloß eine von Klimts zahlreichen Geliebten gewesen, sondern auch verantwortlich dafür, dass die Bloch-Bauers viele Klimt-Werke sammelten, darunter sieben seiner Gemälde. Es gibt allerdings keinen Beweis, dass Adele mit Klimt ein Verhältnis hatte, und einer ihrer Briefe aus dem Jahr 1903 zeigt, dass es Ferdinand war, der das erste Porträt initiierte. Ihr einziger dokumentierter Ankauf fand 1909 statt, als sie sechzehn Klimt-Zeichnungen erwarb. Auch wer schließlich Eigentümer der Porträts war, ist unklar. Allgemein wird angenommen, dass sie Adele gehörten. Anscheinend dachte sie selbst so, als sie sechs der Gemälde 1919 der Österreichischen Galerie für eine Ausstellung zur Verfügung stellte. Ihr 1923 aufgesetztes Testament wurde manchmal so interpretiert. Doch als 1918 die erste Liste von Klimts Mäzenen veröffentlicht wurde, stand darauf Ferdinand als Besitzer der Bloch-Bauer-Bilder verzeichnet; in anderen Fällen waren Frauen die Eigentümer. Auch in einem 1920 erschienenen Buch über Klimt scheint Ferdinand als Besitzer auf.
    Die Situation der Gallias erscheint einfacher, da Moriz sich in seinem Testament klar ausdrückte. Es hieß darin, Hermine sei immer Besitzerin der Haushaltsgüter der Familie gewesen, darunter der Bilder und Möbel, womit die übliche Rechtsvermutung widerlegt war, dass die Haushaltsgüter eines österreichischen Ehepaares dem Mann gehörten. Seine Erklärung mag allerdings vorgetäuscht gewesen sein, um den Wert des Nachlasses zu mindern und die Erbschaftssteuer für die Familie zu senken, die fällig wurde, als Moriz wie erwartet vor Hermine starb. Ein 1914 veröffentlichtes »Who’s Who« der Wiener Kunstsammler zeigt, dass nicht Hermine, sondern Moriz

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