Wolf inside (German Edition)
Schreibtisch herrschte mal wieder das ultimative Chaos. Unter alten Akten und einem Haufen Papierkram fand ich endlich mein Diktiergerät. Ich sprach Rosie schnell alle Einzelheiten zu Sarahs und Terrys Fall auf Band, nur den Teil mit dem Wolf ließ ich weg. Die Agentur, die mir diese Fälle übertrug, wollte sicherlich auch nichts davon hören. Die Cops hatten mir eine Durchschrift ihres Protokolls mitgegeben, das heftete ich bei. Damit war der Fall für mich erledigt. Erst mal.
Denn wenn es zur Verhandlung kam, musste ich als Zeuge auftreten. Das und dieser Papierkram nervten mich am meisten. Es machte mir nichts aus, mich stundenlang irgendwo rumzudrücken und zu warten, dass etwas passierte. Aber zwei Stunden vor Gericht, und ich drehte ab.
Nachdem ich mir noch meine Post reingezogen hatte und auf einige Briefe eine Antwort diktiert hatte, war ich für heute eigentlich fertig. Sandro war im Moment mein einziger Fall. Ich zog meinen Block aus der Schublade, schob die Akten etwas zur Seite, nahm mir vor, mal wieder aufzuräumen und machte mir Notizen.
Was wusste ich?
Sandro war der Sohn von diesem Raimondo. Der eine große Nummer in der Unterwelt war. Ich war gespannt, was Dad über ihn herausbekam. Victoria Louise van der Veermers war seine Mutter. Ich machte mir eine Notiz, dass ich Cruiz nach einem Foto fragen musste. Ein altes Bild war besser als gar keins. Dann musste ich herausbekommen, wo sie das letzte Mal gesehen wurde. Die Bedienstete, wie hieß sie noch gleich, Betty, musste ich auch auftreiben. Sie schien Victoria ergeben gewesen zu sein, vielleicht wusste die was. Mir fiel ein, dass Cruiz gestern von einem Anrufer geredet hatte. Ich musste ihm unbedingt ausreden, sich mit dem zu treffen. Das roch förmlich nach einer Falle. Ich schrieb den Namen ‚Mr. Miller’ auf meine Liste und machte ein riesiges Fragezeichen daneben. Wer war der Kerl, und wie hatte er Sandro gefunden?
Ich rief Rosie über meine Sprechanlage.
„ Rosie, sind Sie mit Sandro fertig?“
„ Ja, warum?“
„ Schicken Sie ihn zu mir rüber. Ich habe noch ein paar Fragen.“
Sandro und sein Schatten standen in der Tür, der Junge hielt eine Papiertüte in der Hand.
Ich deutete auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. „Komm, setz dich. Ich muss noch einiges wissen. Du hast mir von diesem Miller erzählt. Wer ist das, und wie konnte er dich finden?“
Sandro zuckte mit den Schultern und griff in die Tüte. Herzhaft biss er in das dick mit Käse überbackene Brötchen. Mein Käsebrötchen. Der Duft ließ meinen Magen knurren. Rosie musste den Kleinen ja schnell in ihr Herz geschlossen haben!
„ Ich weiß nicht“, mümmelte er mit vollem Mund. „Ich bin seit ungefähr vier Wochen hier in der Stadt und wohne bei meinem Onkel. Er ist den Abend durch die Stadt gezogen und hat rumgefragt, nach diesem Raimondo. Und nach Victoria, sie soll ja wieder hier in der Stadt sein. Das hat er schon ein paar Mal gemacht. Aber niemand wollte mit ihm reden. Nicht mal, als Cruiz ihnen Geld geboten hat.“
Ich schüttelte nur den Kopf. Wie dilettantisch! Rumziehen und Leute fragen. Aus welchem schlechten Film war das denn? Wahrscheinlich hatte er ihnen auch seinen Namen genannt. Cruiz konnte froh sein, dass dem Jungen nichts Schlimmeres zugestoßen war. Raimondo wollte ihn also lebend. Sehr beruhigend!
„ Und dann? Du warst alleine, als diese Typen aufgetaucht sind?“
„ Jaha …“, er zögerte. „Es … war so: Vulto sollte bei mir sein. Doch … er war … äh … gerade draußen unterwegs, als die beiden sich Zugang zu der Wohnung verschafft hatten, der eine von den beiden hatte mich praktisch schon unterm Arm, als … hm, Cruiz nach Hause kam. Er fing sofort mit beiden zu kämpfen an. Er ist gut, kann Karate und so ’n Zeug. Aber die beiden … D… die kämpften nicht fair, fast hätten sie ihn überwältigt. Doch … äh, bevor es wirklich schlimm wurde, da … öh … kam Vulto! Genau! Und der … äh, vertrieb die beiden.“ Erleichtert seufzte er auf.
Ich fuhr mir frustriert durchs Gesicht. Diese Geschichte war genauso schwach wie die anderen, die er mir bislang erzählt hatte. Oh, ich glaubte ihm schon, dass die beiden ihn angegriffen hatten.
Ich hatte schon wer weiß wie viele Opfer vernommen, wusste also, dass sie durch ihre Geschichten staksten und haspelten. Doch in dieser Geschichte lief gar nichts rund. Sie fühlte sich irgendwie abgesprochen, regelrecht konstruiert an. Wie sollte ich das erklären? Sandros
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