Wolf inside (German Edition)
Alessandro?“
„ Ja. Mit einem l und doppelt s. Der Nachname ist van der Veermers.“ Der Junge buchstabierte den Namen, Billy Ray sprach den Namen leise nach. Er hieß nur Billy Ray Hicks. Wie seine Granny.
„ Wie alt bist du?
„ Siebzehn, fast achtzehn.“
„ Und wie heißt dein Hund?“
„ Der heißt Vulto. Vulto komm, sag Hallo.“
Billy zuckte erschrocken zusammen. Ein Hund, ein echter Hund? Hier in Grannys Büro? Er hielt sich schon mal die Ohren zu. Das Geschrei wollte er nicht hören.
Als alles still blieb, schaute er wieder vorsichtig um die Ecke. Warum schrie Granny nicht? Sie mochte keine Hunde. Er wusste es, denn er hatte mal einen mit nach Hause gebracht. Der Hund war ihm zugelaufen, der war ganz klein gewesen. Nicht so wie der da.
„ Oh, du bist aber ein hübscher! Und so riesig! Nein, komm mir nicht zu nah! Er kann sich dort hinlegen.“
Er beugte sich noch weiter nach vorne, und dabei stieß er an die Postkiste, die mit einem scharrenden Geräusch über die Ablage rutschte. Er erschrak, jetzt hatte er sich verraten. Er erstarrte, als der Hund den Kopf in seine Richtung drehte und die braunen Augen ihn ansahen. Ängstlich sah er, wie das Tier sich erhob und langsam auf ihn zutrottete. Doch dann blieb er wieder stehen. Billy atmete erleichtert auf.
Das war komisch, er hatte erst vor ein paar Tagen einen Film im Fernsehen angeguckt. Da hatten sie Wölfe gezeigt. Und die sahen genauso aus wie der Hund da. Nur kleiner. Er täuschte sich nicht, das da war kein Hund.
Billy Ray war zwar nicht besonders helle, tat sich schwer mit Lesen und Schreiben, doch wenn ihn was interessierte, dann ließ ihn sein Gedächtnis selten im Stich, dann konnte er sich alles merken. Und von dem großen Wolf hatte er schon mal gehört. Das wusste er genau. Wölfe interessierten ihn.
Aus seiner Hosentasche zog er einen Zettel. Der war schon ganz verknickt und schmutzig. Der Mann, für den er gerne arbeiten wollte, hatte sie verteilt. Vorsichtig glättete er ihn, rückte seine schwere Brille zurecht und las langsam, Buchstabe für Buchstabe.
Gesucht wegen schweren Diebstahls!, stand da drauf. Schwarzhaariger Junge, Alter ca. 18 Jahre. Was ‚ca.’ hieß, wusste Billy nicht. Wer hat ihn gesehen? Langsam glitt sein Finger weiter über die Zeilen. Größe ungefähr 5½ Fuß, schlank. Achtung! In seiner Begleitung befindet sich ein Wolf. Das da bei Granny musste der Wolf sein. Wer einen oder beide gesehen hat, meldet sich unter folgender Telefonnummer.
Für Hinweise, die zu seiner Ergreifung führen, sind $1000 ausgesetzt.
Der Junge war schwarzhaarig. Und dünn. Und Billy wusste etwas, was nicht auf dem Zettel stand. Seinen Namen. Alessandro mit einem l und doppelt s van der Veermers. Lautlos murmelte er die einzelnen Buchstaben vor sich hin. Dann verdüsterte sich seine Miene. Ob Granny wusste, dass der Junge ein Dieb war? Granny hasste Diebe. Sie hatte es ihm gesagt, als Mr. Harmes ihn erwischt hatte, wie er sich einen Kaugummi in die Hosentasche stecken wollte. Aber das war doch keine Absicht gewesen, er würde niemals was klauen. Auch Diebe würden in der Hölle schmoren, das sagte Father Michael immer.
Tausend Dollar. Billy wusste, dass tausend Dollar viel Geld war. Wenn er das Geld mit nach Hause brachte, würde Granny wohl nicht mehr immer auf ihm rumhacken. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er darüber nachdachte. Alles, was er dafür tun müsste, war, die Nummer da anrufen. Das war einfach. Doch von hier aus konnte er nicht telefonieren. Das erlaubte Granny ihm niemals. Aber unten war ein Münztelefon. Er wusste, wie man damit telefonierte.
Billy Ray schnappte sich die Kiste mit den Briefen und kam langsam aus dem kleinen Raum heraus. Er sah zu Boden, vermied es, den fremden Jungen anzusehen. Nur den Wolf, den wollte er sehen. Da stand er ja. Er war sich sicher. Das mussten die beiden auf dem Zettel sein.
„ Gr…Gr… Granny, ich g…geh. Zur Post.“ Er hielt den Kopf gesenkt, schielte von unten zu seiner Oma hin.
„ G…gib mir G…Geld. Bitte.“
Granny kramte in ihrer Schublade und zog einen Schein hervor. „Hier. Den Rest muss ich wieder haben, hörst du? Und ich brauche die Quittung, Billy Ray. Du vergisst sie immer.“
Billy nickte mechanisch, doch er hörte nicht mehr zu. In Gedanken hielt er Granny das Geld unter die Nase. Hier Granny , würde er sagen, für dich. Kauf dir was Schönes. Urlaub. Sie wollte doch in Urlaub fahren. Das konnte sie dann machen.
14
Auf meinem
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