Wolf Shadow Bd. 4 - Finstere Begierde
einmal die Tragweite ihrer Entscheidung verstanden hätten.
Natürlich wusste er nichts vom Band der Gefährten. Und er würde auch nichts davon erfahren. Das ging ihn nichts an.
Auch wenn Cullen ein ausgebildeter Wicca war, war er zu ungeduldig, als dass er die Tradition um der Tradition willen respektiert hätte. Er hatte schon seit Langem gelernt, dass nicht der ganze Körper eingetaucht werden musste, um komplett gereinigt zu werden. Stattdessen wusch er sich die Hände, seine Füße und die Hauptchakren – eine Mischung aus östlichen und westlichen Praktiken, die Traditionalisten aus beiden Hemisphären missfallen hätte. Aber sie wirkte.
Er tauchte den Finger in eine Schale mit Salzwasser und berührte das Kronenchakra auf seinem Kopf. Ein Prickeln überlief ihn, als sein Bewusstsein sich öffnete. Er sah und fühlte zugleich die violette Energie des Chakras, die zu den anderen energetischen Punkten in seinem Körper floss und sie ins Gleichgewicht brachte. Er wartete, bis die Verbindung hergestellt war. Dann öffnete er die Augen, nahm seine Krücken und schwang sich zur Tür, nur mit einem kleinen Diamanten um seinen Hals und einem großen an seinem Finger bekleidet.
Der Flur war nicht leer. Zwei Typen in dunklen Anzügen vom Secret Service musterten ihn. Professionell waren sie, das musste man ihnen lassen – keiner von beiden starrte auf die Körperteile, die normalerweise in der Öffentlichkeit bedeckt waren. Einer murmelte etwas in sein Headset.
Cullen nickte ihm so professionell, wie er konnte, zu und steuerte auf die Tür zu, die sie bewachten. Kurz zuvor hatte er mit der Beraterin der Präsidentin gesprochen, die verantwortlich für die Anwesenheit der beiden war. Marilyn Wright benutzte reichlich Parfum, war aber im Übrigen intelligent und relativ unbelastet von Vorurteilen.
Eine nette Abwechslung also zu McClosky vom Wirtschaftsministerium. Unglücklicherweise war es McClosky gewesen, der die Verhandlungen um den Schutzschildzauber geführt hatte, unterstützt von dem missratenen Gnomexperten.
Vor der Tür war Ruben Brooks’ Rollstuhl geparkt. Cullen stellte seine Krücken daneben, öffnete die Tür und betrat humpelnd das Zimmer. Nichts erinnerte mehr daran, dass dies einmal ein Konferenzraum gewesen war.
Der Gnom hatte darauf bestanden, dass möglichst wenige Personen anwesend waren. Nach heftigem Gefeilsche hatten sie sich auf zehn Personen geeinigt, plus Cullen. Sechs Menschen und vier andere Andersblütige saßen auf Kissen auf dem Betonboden wie eine Kindergartengruppe, die Schwarzer Peter spielte. Alle drehten sich jetzt zu ihm um, um ihn anzusehen. Belustigt beobachtete er, wer wohin guckte – oder den Blick abwandte.
Nicht, dass es im Moment viel zu sehen gegeben hätte, denn er hatte sich eben erst mit kaltem Seewasser gewaschen. Später, wenn die Magie ihn süß wie Honig und heftig wie ein Sturm durchströmte, würde das anders sein.
Lily hielt den Blick fest auf sein Gesicht gerichtet. Die Assistentin der Präsidentin hob eine Augenbraue. McClosky warf ihm einen hastigen Blick zu, bevor er seine ganze Aufmerksamkeit wieder seinen Schuhen widmete, und Steve Timms interessierte sich lediglich dafür, wer Waffen und nicht, wer Klamotten trug. Steve war sich der großen Verantwortung, die er heute hatte, bewusst. Er bewachte sowohl Brooks als auch Marilyn Wright.
Cynna lächelte Cullen an. Sie saß zwischen Gan und Lily, ihre riesige Tasche zwischen sich und Lily. Darin befand sich ein großer Vorrat an Hershey’s Kisses , um die kleine Nicht-ganz-Dämonin falls nötig zu bestechen. Auf Lilys anderer Seite saß Brooks auf einem gepolsterten Klappstuhl statt eines Kissens. Er nickte Cullen nur kurz zu. Der Gnom und der andere Typ zeigten kein Interesse an seiner Nacktheit, und die Frau mit den Stoßzähnen … war interessiert. Ganz eindeutig sexuell interessiert, was er überraschend irritierend fand.
Gan sagte: „He! Hübscher Schwanz.“
„Danke“, sagte Cullen ernst. „Finde ich auch.“
„Wie lang wird er, wenn du …“
Lily brachte sie zum Schweigen, McClosky prustete, und die Assistentin der Präsidentin kicherte. Wenigstens war Cullen sich ziemlich sicher, dass sie es gewesen war.
Er warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Sieben Minuten.
Von Uhren gemessene Zeit war ein artifizielles Konstrukt, aber Zahlen waren mit Magie aufgeladen, vor allem, wenn man sie mit einer bestimmten Absicht benutzte. Nach einigem Hin und Her hatten er und der Rat sich
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