Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
arglos sein, wie du aussiehst.«
»Arglist ist mir fremd. Was nicht heißt, dass ich nicht eine komplexe Persönlichkeit bin und zu großer Subtilität fähig. Nur nicht zu großer Arglist. Bin ich jetzt ein Gast oder eine Gefangene? Und gebt ihr Gefangenen oder Gästen Ibuprofen, wenn sie Kopfschmerzen haben? Paracetamol ist auch okay oder ganz einfaches Aspirin, aber Naproxen wirkt bei mir nicht.«
Er drehte sich um und verließ den Raum.
Sie blinzelte. War das jetzt ein Ja oder ein Nein? Bevor sie sich entscheiden konnte, war er zurück, in der Hand ein Glas Wasser. Er hielt es ihr hin. Sie nahm es ganz automatisch.
»Ibuprofen«, sagte er und hielt ihr die andere Hand hin, in der zwei kleine braune Tabletten lagen. »Nettie hat gedacht, du könnest welche gebrauchen.«
»Nettie?«
»Dr. Two Horses. Sie hat dich untersucht, nachdem du zusammengebrochen bist. Hat dir ein bisschen Energie zur Stärkung gegeben. Sie ist eine Heilerin.«
Ja, sie hatte in den Akten über die Nokolai von einer Dr. Two Horses gelesen. Und irgendwo hatte sie schon einmal von ihr gehört … oder hatte sie etwas über sie gelesen? Nein, von Onkel Nate. Er war kein Heiler, aber Arzt, und er interessierte sich sehr für die wenigen – sehr wenigen – Ärzte, die offen über ihre Gabe zu heilen sprachen. Er hatte Dr. Nettie Two Horses in den höchsten Tönen gepriesen.
Als Arjenie nach der Tablette griff, fiel ihr etwas auf. »Mein Ring ist weg.«
»Er liegt auf dem Tisch, da, wo deine Brille war.«
Oh. Sie hatte ihn nicht gesehen, als sie ihre Brille genommen hatte, weil sie überhaupt wenig gesehen hatte. Arjenie nahm den kleinen Ring und steckte ihn wieder an ihren Finger, wo er hingehörte. »Meine Mutter hat ihn mir gegeben. Ich nehme ihn nie ab.«
»Entschuldigung. Er hatte eine Energie-Signatur. Seabourne musste ihn überprüfen.«
»Das ist nur ein harmloser kleiner Zauber, um Moskitos abzuhalten.«
»Das hat er auch gesagt.« Benedict hielt ihr wieder das Ibuprofen hin.
Dieses Mal nahm sie die Tabletten, steckte sie in den Mund und spülte sie mit Wasser herunter.
»Mehr Wasser?«, fragte Benedict höflich.
»Nein, danke. Aber ich bin schrecklich hungrig.«
»In einer Stunde ungefähr gibt es Abendessen. Möchtest du vorher noch eine Kleinigkeit essen?«
»Das wäre schön. Wie lange war ich bewusstlos?«
»Circa zehn Stunden.«
Sie lächelte erfreut. Das war viel weniger, als sie erwartet hatte. Vielleicht hatte Tante Robin noch gar nicht angefangen, sich Sorgen zu machen. »Dann muss Dr. Two Horses mir aber viel Energie gegeben haben. Ich würde mich gern bei ihr bedanken.«
»Sie ist nicht hier. Sie musste sich um einen anderen Patienten kümmern. Sie sagte, in zwei Tagen müsste es deinem Knöchel bessergehen und dass deine Bewusstlosigkeit eine Trance ist, so ähnlich wie der Heilschlaf, in den sie ihre Patienten versetzt. Doch dein Schlaf ist tiefer, deswegen konnten wir dich nicht aufwecken.«
»Die Beschreibung trifft es ganz gut.«
»Warum die Bewusstlosigkeit erst so spät nach der Überbeanspruchung der Gabe eintritt, hat sie allerdings nicht verstanden. Und Seabourne auch nicht.«
»Das weiß ich auch nicht, aber ich habe eine Vermutung. Vielleicht wartete mein Körper darauf, dass ich etwas tue, um ihm zu helfen. Meine Energie wieder auflade, oder so. Nur weiß ich nicht, wie ich das schnell genug bewerkstelligen kann, damit es wirkt. Ich habe schon einige Methoden ausprobiert, aber bisher hat nur das Essen etwas geholfen, und auch das verzögert es nur. Meinst du, Cullen Seabourne weiß, wie man schnell Energie absorbieren oder aktivieren kann?«
»Möglich.« Sein Ton war trocken. »Das kannst du ihn selber fragen. Er kann es kaum erwarten, mit dir zu sprechen.«
Sie zog den Kopf ein. Auf einmal fühlte sie sich unbehaglich. Cullen Seabourne hatte mit einem kurzen Blick gesehen, was sie ihr Leben lang versteckt hatte.
Eine säuberlich gefaltete Jeans lag am Fuß des Bettes. Ihre Jeans. »Jemand hat mir die Jeans ausgezogen.« Ihre Hand fuhr zu ihrem Haar, als sie noch etwas bemerkte. »Und mein Haarband herausgenommen.«
»Beides hätte dich beim Schlafen gestört. Oder beim Ohnmächtigsein. Seabourne sagt, dass du eine Sidhe bist.«
Arjenie biss sich auf die Lippen. Es wäre sinnlos, es jetzt noch zu leugnen. Sie würden ihr nicht glauben. »Nur zum Teil. Das ist eine lange Geschichte – zumindest ist sie immer lang, wenn ich sie erzähle. Es wäre nett zu wissen, was ihr jetzt mit mir
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