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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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erster Mann starb, nur wenige Wochen nach unserer Hochzeit.«
    »Das tut mir leid«, antwortete Tobias.
    Ein bitteres Lächeln huschte über Katrins Züge, aber sie 228
    beherrschte sich weiter. »Und wie ist es dir ergangen?« fragte sie mit einer Kopfbewegung auf seine Kutte. »Wie ich sehe, hast du Karriere gemacht.«
    Der Spott in ihrer Stimme kränkte Tobias. Daß es Menschen gab, die der Kirche und ihren Dienern feindlich gegen-
    überstanden, hatte er früh begriffen und akzeptiert. Er konnte mit einem Ketzer tagelang diskutieren, ohne die Beherrschung zu verlieren, aber Spott über seinen Dienst an der Sache Gottes machte ihn rasend.
    »Ich trage dieses Gewand aus freien Stücken«, sagte er verletzt.
    Katrins Überraschung war echt. »Ja?« fragte sie zweifelnd.
    Tobias nickte. »Am Anfang nicht«, gestand er. »Oh, es war durchaus als Strafe gedacht, daß sie mich ins Kloster nach Lübeck geschickt haben. Ich konnte es mir aussuchen: eine peinliche Untersuchung, in die auch meine Familie hineinge-zogen worden wäre, oder einige Jahre im Kloster, wo ich erzogen und geläutert werden sollte.«
    Er lächelte schmerzlich. »Pater Hegenwald war wohl der Meinung, daß meine Seele noch nicht ganz verloren ist. Und offensichtlich war er auch nicht allzu traurig über den Tod dieses Wanderpredigers. Ich glaube, daß er mich als eine Art verlängerten Arm Gottes betrachtet hat, der diesem armen Mann nur das gab, was ihm zustand.«
    Seltsamerweise fiel es ihm ganz leicht, darüber zu reden, denn so furchtbar der Moment auch gewesen war, so hatte er doch spätestens als erwachsener Mann begriffen, daß es sich tatsächlich nur um einen Unfall gehandelt hatte, an dem im Grunde keinen der Beteiligten - und wenn, so allerhöchstens das Opfer selbst - irgendeine Schuld traf. Und zumindest in einem Punkt sagte er nicht ganz die Wahrheit: Pater Hegenwald hatte den schrecklichen Tod des Wanderpredigers nicht nur insgeheim, sondern in aller Offenheit gutge-heißen; mit einem Schweigen im richtigen Moment und mit einer angedeuteten Bemerkung, die Tobias erst später vollends begriffen hatte.
    Die Kirche mochte die Bettelmönche nicht, denn sie
    wußte - unbeschadet all dessen, was ihre Priester von den 229
    Kanzeln herabpredigten - sehr wohl, daß ein voller Magen sehr viel leichter von Gottes Gnade zu überzeugen war als ein knurrender.
    »Und später?« fragte Katrin, als er nicht von sich aus weitersprach.
    Tobias zuckte mit den Schultern. »Der Rest ist schnell erzählt«, sagte er. »Ich wurde von den Mönchen erzogen. Sie lehrten mich Lesen, Schreiben und vor allem Denken.«
    »Und sie überzeugten dich«, vermutete Katrin.
    Tobias schüttelte den Kopf. »Nein, ich fand zu Gott, das ist wahr, aber ich fand ihn aus mir heraus. Niemand hat versucht, mich zu etwas zu überreden.«
    Natürlich hatten sie versucht, dem störrischen Jungen, der er damals gewesen war, den Glauben an Gott und die Kirche mit dem Stock einzuprügeln. Aber all diese Versuche hatten ihn eher daran gehindert, seinen wahren Glauben zu finden.
    Das war ganz von allein geschehen, einfach aus dem tiefen Wissen heraus, daß die Welt und die Geschicke der Menschen einem viel zu komplexen, undurchschaubaren Plan folgten, als daß er das bloße Wirken des Zufalls sein konnte.
    Es war seine Logik gewesen, die ihn letztendlich zu Gott geführt hatte.
    Und vielleicht, dachte er, war das auch der Grund, aus dem sein Glaube in den letzten Tagen zu wanken begonnen hatte, weil das, was er hier und jetzt erlebte, nicht mal mit Logik zu erklären war.
    »Und du?« fragte er.
    Wieder lächelte Katrin dieses bittere, schmerzerfüllte Lächeln. »Meine Geschichte ist fast genauso schnell erzählt«, sagte sie, wobei sie ihn nicht ansah, sondern aus dem Fenster blickte.
    »Sie brachten mich weg wie dich. Aber nicht in ein Kloster, sondern in ein Haus, in dem ich . . . arbeiten mußte.«
    Das fast unmerkliche Stocken in ihren Worten überzeugte Tobias davon, daß auch sie nicht ganz die Wahrheit sprach.
    »Ich blieb dort, bis ich zwanzig war«, fuhr sie fort.
    »Danach bin ich geflohen. Ich hab's schon vorher ein paarmal versucht, aber sie haben mich jedesmal wieder eingefan-230
    gen, aber dann ist es mir doch gelungen. Ein Jahr bin ich durch das Land geirrt, bis ich schließlich Bert getroffen habe.«
    »Bert?«
    »Meinen Mann«, antwortete Katrin. »Meinen ersten
    Mann. Er war sehr gut zu mir, er nahm mich auf, und wir heirateten. Aber dann starb er, und ich war wieder

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