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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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flüchtig, trocknete sich das Gesicht mit dem Ärmel seiner Kutte und warf im Hinausgehen einen Blick auf das kleine Kruzifix über dem Bett. Der verschobene Schatten auf der Wand schien ihn zu verhöhnen. Alles erschien ihm so klar, so einfach - wieso konnte er nicht einfach die Hand ausstrecken und die Lösung aufheben, die zum Greifen nahe vor ihm liegen mußte?
    Aber es war, als lähme etwas seine Gedanken, als durchdringe ein böser, finsterer Zauber die Luft in dieser Stadt wie der Gestank des Sees, eine unsichtbare Macht, die nicht nur ihre Bewohner, sondern auch ihn daran hinderte, das Offen-sichtliche zu sehen.
    Er verließ das Schlafzimmer, warf einen Blick in die leere Stube und wandte sich dann zur Treppe. Das Haus war still wie immer, aber die ausgetretenen Stufen knarrten, und als er sich der Tür zur Dachkammer näherte, vernahm er
    gedämpfte Stimmen, die miteinander redeten: Maria und Katrin.
    Er wollte die Hand nach der Tür ausstrecken, doch in diesem Moment hörte er einen überraschten Laut hinter sich, und als er sich herumdrehte, erkannte er Bresser, der am Fuße der Treppe aufgetaucht war und ihn überrascht ansah.
    »Pater Tobias? Ihr seid wach?«
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    »Wäre ich es nicht, könnte ich kaum hier stehen und diese dumme Frage beantworten«, erwiderte Tobias gereizt.
    Bresser lächelte unglücklich und trat von einem Fuß auf den anderen. »Wo seid Ihr gestern abend gewesen?« fragte er nach einer Weile.
    »Ich habe Euch gesucht.«
    »Ich habe dem Grafen gesagt, daß ich nicht auf seinem Schloß bleibe.«
    »Er war sehr zornig, als er von der Jagd zurückkehrte und erfuhr, daß Ihr allein losgeritten seid«, erwiderte Bresser, ohne auf seine Worte einzugehen. »Ich bin sofort losgeritten, um Euch zu suchen, aber ich habe Euch nicht gefunden.«
    »Ich habe mich im Dunkeln verirrt«, antwortete Tobias unwillig.
    »Das war nicht sehr klug von Euch, Pater«, sagte Bresser mit mildem Vorwurf. »Euch hätte wer weiß was geschehen können.« Er betonte die letzten Worte auf sonderbare Art, und sein Blick wurde fragend, fast lauernd. Wußte er, was Pater Tobias widerfahren war?
    »Wie Ihr seht, ist mir nichts passiert«, antwortete Tobias knapp. »Wartet auf mich. Wir haben einige Dinge zu besprechen - sobald ich fertig bin.«
    Ohne Bresser auch nur noch eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er weiter, riß die Tür auf und drückte sie fast hastig hinter sich wieder zu, ehe er sich zum Bett umwandte.
    Katrin war tatsächlich wach. Ihre Augen glänzten noch immer fiebrig, doch sah sie nicht mehr wie eine Sterbende aus. Sie saß aufrecht im Bett, und als sie Tobias erkannte, überzog ein strahlendes Lächeln ihre Züge. Sie wollte sich sogar aufrichten und die Arme nach ihm ausstrecken, aber Bressers Frau, die neben ihr auf dem niedrigen Schemel hockte, hielt sie mit sanfter Gewalt davon ab und schüttelte tadelnd den Kopf. »Nicht bewegen«, sagte sie. »Du bist noch lange nicht wieder gesund.« Dann wandte sie sich um und blickte zu Tobias auf.
    »Guten Morgen, Pater Tobias.« Der Spott in ihren Worten entging dem Mönch nicht. Er erwiderte ihr Lächeln auf die 225
    gleiche, belustigte Art und Weise und sagte: »Du hast mich schon wieder nicht rechtzeitig geweckt.«
    »Wenn man bedenkt, wann Ihr zurückgekommen seid,
    Pater«, antwortete Maria, »hätte ich Euch von Rechts wegen noch für mindestens drei oder vier Stunden im Schlafzimmer einschließen müssen.« Sie schüttelte den Kopf und seufzte übertrieben. »Ich habe genug mit einer Kranken zu tun. Was habt Ihr vor? Euch möglichst schnell zugrunde zu richten?«
    Sie stand auf, warf Katrin einen raschen, mahnenden Blick zu, und deutete mit einer Handbewegung auf den Hocker, auf dem sie gesessen hatte. »Nehmt Platz, Tobias«, sagte sie. »Ihr habt sicher eine Menge zu besprechen. Ich werde in der Zwischenzeit das Essen vorbereiten - und Euch Bresser vom Hals halten.«
    Tobias war ein wenig verwirrt, und Katrin sagte: »Ich habe ihr alles erzählt.«
    »Du hast -?«
    »- mir das wenige erzählt, was ich mir noch nicht selbst zusammengereimt habe«, unterbrach ihn Maria. »Aber
    keine Sorge, ich werde niemandem etwas verraten.«
    Tobias war so verblüfft, daß er einen Moment nicht einmal nach Worten suchte, sondern Katrin und Bressers Frau nur abwechselnd und mit einer Mischung aus Bestürzung und Zweifel ansah. Dann registrierte er das warnende Funkeln in Katrins Blick und begriff, daß sie ihr eben doch nicht alles erzählt hatte. Und der

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