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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
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hinauf.
    Erst als er wieder vor Katrins Tür angekommen war,
    beruhigte er sich ein wenig. Er gestand sich ein, daß er sich wie ein Narr verhalten hatte. Was, um Gottes willen, hatte er denn erwartet, nach allem, was Derwalt passiert war?
    Daß er ihm mitten auf der Straße seine Geheimnisse anvertraute? Daß er, der seinen ersten, nicht einmal vollendeten Verrat beinahe mit dem Leben bezahlt hatte, einen zweiten in aller Öffentlichkeit beging? Nein, dachte er, zornig auf sich selbst, ganz bestimmt nicht. Er konnte von Glück sagen, wenn es ihm überhaupt gelang, Derwalts Vertrauen zurückzugewinnen.
    Er öffnete die Tür, trat gebückt ein und sah, daß Katrin noch immer schlief. Lautlos trat er ans Fenster, öffnete es und blickte auf die Straße hinab.
    Während die Dächer der strohgedeckten Häuser noch im letzten Gold der sinkenden Sonne schimmerten, herrschte zwischen ihnen bereits Finsternis. Die engen Gassen erschienen wie schwarze Schluchten, angefüllt mit allen finsteren Geheimnissen der Nacht. Tobias sah jetzt, daß er sich nicht getäuscht hatte. Auf der anderen Seite des Platzes standen zwei Gestalten. Sie waren auch zu weit entfernt, als daß er ihre Gesichter erkennen konnte. Aber er war sehr sicher, daß es die gleichen Männer waren, die er am Morgen mit Bresser hatte streiten sehen. Er kannte ihre Namen nicht, aber er nahm sich vor, sich am nächsten Tag noch einmal gründlich in der Stadt umzusehen und auch sie auf die Liste derer zu setzen, mit denen er zu reden hatte.
    Er stand recht lange am Fenster. Die Sonne versank, schließlich legte sich eine fast sternenlose Nacht über die Stadt.
    Und als es vollkommen dunkel geworden war, bemerkte er das Licht wieder.
    289
    Zuerst war es nur ein blasser Schimmer, ein Funkeln, so matt, daß er nicht sicher war, ob er es wirklich sah, aber je länger er zu dem kleinen Wald hinter Buchenfeld hinüberblickte, desto deutlicher wurde es: ein unheimlicher, flackernder grüner Schein, der durch die Bäume drang und die Felder ringsum wie mit flüssigem grünen Gift übergoß.
    Schatten bewegten sich in diesem Schein, ein unheimliches, lautloses Huschen, ein schnelles Hin und Her, dem das Auge nicht zu folgen vermochte. Was immer dort drüben am See vorging, es war ein Stück der Hölle, das er beobachtete. Ihre Pforten hatten sich einen Spalt geöffnet, und mit diesem unheimlichen, grünen Schein krochen Angst und Verzweiflung in die Welt hinaus.
    Hinter ihm bewegte sich Katrin; er wußte, daß sie wach war, ohne sich zu ihr herumdrehen zu müssen.
    »Wie fühlst du dich?« fragte er.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis Katrin antwortete, und Tobias begriff, daß sie ihn schon lange beobachtet haben mußte. Und sie mußte auch wissen, was er sah.
    »Ich glaube, besser als dir«, sagte sie schließlich.
    Er drehte sich vom Fenster um, lehnte sich gegen die Wand daneben und lächelte matt. »Das ist verrückt, nicht?« sagte er, während er die Arme vor der Brust verschränkte. »Ich will dein Leben retten, und jetzt wäre ich fast vor dir gestorben.«
    Er hörte Bressers Schritte auf dem Flur und spannte sich.
    Aber Bresser polterte lärmend die Treppe hinab. Etwas braute sich in diesem Haus zusammen. Tobias wußte, daß ihm und Katrin nicht mehr viel Zeit blieb.
    »Ich habe nachgedacht«, sagte er langsam.
    Katrin blickte ihn fragend an.
    »Du mußt dieses Haus verlassen«, fuhr er fort. »Gleich morgen früh. Ich habe Bresser Befehl gegeben, alles vorzubereiten, dich in den Turm zurückzubringen.«
    Katrin sagte nichts, aber in ihren Augen brannte ein Ausdruck tiefsten Schreckens, und Tobias fuhr mit leicht erhobener Stimme fort: »Keine Sorge, du wirst nicht wieder in Ketten gelegt. Ich werde dafür sorgen, daß dir kein Leid 290
    geschieht. Ich lasse ein Bett und alles andere, was du brauchst, hinüberbringen. Und ich selbst werde dafür sorgen, daß außer mir und Bressers Frau niemand das Haus betritt. Aber du kannst nicht hierbleiben.«
    »Dann willst du . . .« begann Katrin.
    ». . . tun, weshalb ich gerufen worden bin«, unterbrach sie Tobias. »Ich werde gleich morgen früh mit der offiziellen Untersuchung beginnen. Ich werde Zeugen befragen, ich werde mir Beweise ansehen, und ich werde auch dich verhö-
    ren.«
    In Katrins Augen glomm Entsetzen. Tobias hatte diesen Gedanken immer wieder verdrängt - aber Katrin mußte noch immer felsenfest davon überzeugt sein, daß er nur gekommen war, um sie zu befreien.
    »Du willst . . .«
    »Hör mir jetzt

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