Wolfgang Hohlbein -
zu«, unterbrach Tobias sie sehr leise, aber auch sehr ernst. »Vielleicht ist es das letzte Mal, daß wir allein miteinander reden können. Ich traue weder Bresser noch dem Grafen. Deshalb ist es um so wichtiger, daß du mir zuhörst. Und daß du genau das tust, was ich dir sage.
Du mußt mir vertrauen, ganz gleich, was ich in den nächsten Tagen sagen oder auch tun werde. Versprichst du mir das?«
Katrin nickte.
»Gut«, sagte Tobias, »dann hör zu. Mit Ausnahme von Bressers Frau weiß niemand von uns. Der Graf weiß, daß wir uns kennen, aber nicht mehr. Ich werde dir den Prozeß machen. Ich werde nicht allzu hart mit dir umspringen, aber ich werde auch nicht immer sehr freundlich sein können. Ich werde ganz genau das tun, was man von einem Inquisitor erwartet. Der Prozeß wird zwei, höchstens drei Tage dauern, und dann werde ich dich noch einmal einer peinlichen Befra-gung unterziehen und abschließend mein Urteil sprechen.«
»Und wie wird das aussehen?« fragte Katrin. Ihre Stimme bebte vor Angst.
»Ich werde dich freisprechen«, antwortete Tobias.
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Vielleicht zum ersten Mal überhaupt, seit er diese Stadt betreten hatte, erwachte er am nächsten Morgen ausgeruht und voller Tatendrang. Als Maria eine Viertelstunde nach Aufgang der Sonne in sein Zimmer kam, um ihm wie jeden Morgen eine Schale Wasser und ein frisches Tuch zu bringen, fand sie ihn schon auf dem Bettrand sitzend vor. Sie war nicht wenig erstaunt, wie rasch und gründlich er seine Krankheit überwunden hatte. Und Tobias war selbst überrascht, in welch guter Verfassung er erwacht war. Dabei waren seine Probleme keineswegs geringer geworden, ganz im Gegenteil. Aber vielleicht, dachte er, lag es einfach daran, daß er im Grunde zum ersten Mal seit seiner Ankunft wußte, was er tun würde. Seine Pläne standen fest, und bei Gott, sie mußten gelingen, wollten Katrin und er nicht ihr Leben verlieren. In fast fröhlicher Stimmung antwortete Tobias auf Marias Fragen, nahm ohne Hast sein Frühmahl ein und verließ dann das Haus, um hinüber in den Turm zu gehen und darüber zu wachen, daß Bresser seine Befehle ausführte.
Seine Sorgen diesbezüglich erwiesen sich als unbegründet.
Die drei Männer und zwei Frauen, die Bresser als Hilfskräfte herangezogen hatte, hatten das stinkende, dunkle Verlies bereits leergeräumt und gereinigt. Es war noch immer ein dunkles Loch, aber die hölzernen Läden vor den Fenstern waren entfernt worden, so daß das klare Licht der Sonne hereinschien. Eine der beiden Frauen schrubbte den Boden mit einem Stück Kernseife und einer großen Bürste so gründlich, wie sie konnte. Tobias sah ihr eine Weile dabei zu, dann ging er zurück in den großen, düsteren Raum, der das gesamte zweite Geschoß des Turmhauses in Anspruch nahm, und wählte einige Möbelstücke aus, die in die Zelle geschafft werden sollten. Bresser widersprach nur einmal kurz und merkte an, daß es sich dabei um Eigentum des Grafen handelte, der vermutlich nicht sehr glücklich sei, sein kostbares Mobiliar als Einrichtung einer Zelle wiederzu-292
finden. Aber Tobias mußte nicht einmal wirklich darauf antworten; der eisige Blick, den er Bresser zuwarf, reichte völlig aus, dessen Widerstand schon im Keim zu ersticken.
Statt sich ihm weiter zu widersetzen, ging er, um Tobias'
Befehle weiterzuleiten.
Tobias sah auch diesem Treiben eine Weile wortlos zu, ehe er sich wieder ins untere Geschoß des Hauses begab, um sich dort für die nächsten Tage einzurichten. Er hatte nicht vor, in diesem Gebäude zu übernachten; dafür war es ihm trotz der heftigen Geschäftigkeit, die Bressers Gehilfen verbreiteten, zu unheimlich. Wie von Theowulfs Schloß ging auch von diesem Gemäuer eine düstere, feindselige Atmosphäre aus. Trotzdem würde er den größten Teil der kommenden Tage hier verbringen müssen. So zog er zwei Männer von Bressers kleinem Hilfstrupp ab und ließ sie die Möbel im Kaminsaal nach seinen Wünschen umgruppieren: Aus der Tafel wurde eine Richterbank, die er so vor das Fenster stellen ließ, daß er lesen und auch schreiben konnte, ohne sich die Augen zu verderben, und daß das Sonnenlicht - ein sehr nützlicher Nebeneffekt - den Zeugen, die ihm gegen-
überstehen würden, ins Gesicht schien und sie blendete. Den größten Teil der an den Wänden aufgereihten Waffen ließ er entfernen, was ihm Bressers Protest eintrug.
Als das Haus notdürftig gesäubert und das Mobiliar nach seinen Wünschen umgestellt war, kam der Alte
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