Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
Vom Netzwerk:
Prozession in der nächsten Stunde zurück, und Bresser und seine Leute würden sofort Katrins Flucht bemer-339
    ken. »Wir müssen uns verstecken«, sagte er. »Weißt du einen Ort - einen, an dem uns niemand findet?«
    Katrin sah ihn einen Moment unschlüssig an, dann nickte sie, aber die Bewegung war irgendwie zögernd, als wäre sie nicht ganz sicher, und deutete nach Norden, in Richtung des kleinen Waldstückes, in dem der See lag. Tobias fuhr unmerklich zusammen. Aber er widersprach nicht, als Katrin sagte: »Keiner von ihnen wird es wagen, sich dem See zu nähern.«
    »Und die anderen?« fragte Tobias. »Die . . .«
    Er sprach das Wort nicht aus, aber Katrin wußte, was er meinte. »Sie auch nicht«, sagte sie. »Und wenn, dann kennen sie mein Versteck nicht. Es ist eine Höhle, gleich am See.
    Aber der Eingang ist so verborgen, daß ich ihn nur durch einen Zufall gefunden habe.«
    Tobias folgte Katrin, als sie sich umwandte und mit weit ausgreifenden, kraftvollen Schritten über die abgeernteten Felder zu laufen begann. Es war die finsterste Nacht, die Tobias je erlebt hatte: Ringsum herrschte eine vollkommene Schwärze, wie in einem Kerker ohne Fenster und Türen. Nur die Fackeln leuchteten in der Ferne, ein kaltes, grün-blaues Leuchten, das ihnen direkt aus der Hölle entgegenzustrahlen schien.
    Tobias versuchte, den Gedanken zu verscheuchen und sich statt dessen auf den Weg zu konzentrieren. Der Boden war steinig und zudem von tiefen Furchen durchzogen. Und obwohl er sich mit aller Macht einzureden versuchte, daß diese fürchterliche Finsternis ihr Verbündeter war, der sie beschützte, konnte er sich des Gefühles nicht erwehren, aus unsichtbaren, bösen Augen ungestarrt und belauert zu werden.
    Sein Zeitgefühl war völlig durcheinander geraten. Er hatte keine Ahnung, ob sie eine Stunde oder nur wenige Momente unterwegs gewesen waren, als Katrin plötzlich stehenblieb.
    Er wollte etwas sagen, aber Katrin hob hastig die Hand und gebot ihm, zu schweigen, und als er erschrocken gehorchte und lauschte, glaubte er etwas zu hören: Laute, die ihn mit Schrecken erfüllten. Es war das dumpfe Dröhnen hämmernder Pferdehufe, das sich ihnen rasch näherte.
    340
    Entsetzt fuhr er herum und starrte aus weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Im ersten Moment hatte er Mühe, sich zu orientieren, denn das flackernde Rot über Buchenfeld war erloschen; offensichtlich hatte sich die Prozession aufgelöst, oder sie hatten zumindest ihre Fackeln gelöscht.
    Aber dann sah er ein anderes, unheimlicheres Licht - eine Handvoll winziger, in hellem Grün flimmernder Punkte, wie Leuchtkäfer, die in großer Entfernung über dem Feld tanzten. Aber was er beobachtete, war kein Tanz; ein Dutzend Reiter preschte heran, ihre Gesichter schimmerten in dem gleichen, unheimlichen grünen Licht wie der See vor ihnen.
    »Sie haben uns bemerkt«, flüsterte er entsetzt. Aber Katrin schüttelte den Kopf.
    »Nein. Sie . . . jagen etwas«, sagte sie zögernd. »Jemanden, aber nicht uns.«
    Tobias blickte irritiert erst sie, dann wieder die Handvoll winziger, glühender Lichtflecke an. Wie konnte sie über die Entfernung und noch dazu bei diesem Licht irgend etwas erkennen? Er selbst hatte Mühe, ihr Gesicht zu sehen. Katrin mußte die Augen einer Katze haben.
    »Schnell!« sagte Katrin plötzlich. »Vielleicht schaffen wir es noch.«
    Sie liefen weiter, dem nahen Wald entgegen. Tobias warf einen hastigen Blick über die Schulter zurück und sah, daß die Reiter näher gekommen waren, sich gleichzeitig aber ein Stück nach Westen entfernt hatten. Sie ritten nicht auf sie zu. Katrin schien recht zu haben. Hätten die Reiter sie gesehen, hätten sie kaum einen Bogen geschlagen, um ihnen auf diese Weise mehr Vorsprung zu verschaffen.
    Endlich erreichten sie den Wald. Tobias wollte blindlings weiterlaufen, den Weg entlang, der zum See führte, aber Katrin ergriff seine Hand, schüttelte rasch den Kopf und zog ihn mit sich. Das Buschwerk kam ihm wie eine Mauer aus Zweigen und Dornen vor. Aber dann gewahrte er eine
    schmale, kaum kniehohe Lücke im Unterholz, durch die der grüne Schein des Sees schimmerte.
    Katrin ließ sich auf Hände und Knie herabsinken und begann, durch das Unterholz zu kriechen, und als Tobias 341
    einen Moment zögerte, riß sie ihn mit sich. Obwohl er versuchte, sein Gesicht zu schützen, indem er es fest gegen das Erdreich preßte, handelte er sich jede Menge Kratzer und blutige Schrammen ein. Immer wieder verfingen

Weitere Kostenlose Bücher