Wolfgang Hohlbein -
und Tobias schloß sie in den Arm. Sie war noch immer naß, und die Feuchtigkeit durchdrang sein Hemd und ließ ihn schaudern. Hier im Schatten begann es bereits kühler zu werden, Katrin mußte frieren. Er verstand nicht, warum sie ihr Kleid nicht angezogen hatte. »Außerdem habe ich gehört, wie dein Vater heute morgen mit Bartel gesprochen hat. Über ihn.«
»Über den Prediger?« wunderte sich Tobias.
Katrin nickte. »Er sagte, der Pfarrer wäre sehr zornig.
Hegenwald haßt Männer wie ihn, die nur kommen und das Volk aufwiegeln.«
»Er hat niemanden aufgewiegelt«, sagte Tobias nach kurzem Nachdenken.
»Aber er verwirrt die Leute. Er sagt, daß sie kein Recht haben, glücklich zu sein. Das ist schlecht. Welchen Sinn hat ein solches Leben. Immer nur Angst . . .« Sie zögerte. Dann:
»Hättest du es ihm gesagt?«
»Was?« fragte Tobias.
»Daß wir uns schon lieben, obwohl . . .«
Überrascht hob Tobias den Kopf und sah sie an. Katrin war sehr ernst. Und jetzt erst begriff er. Mit einem Male war ihm klar, warum sie ihn so erschrocken und danach so zornig angesehen hatte. Hatte sie wirklich geglaubt, daß er ihr Geheimnis verraten würde - an einen geifernden Wanderprediger?
»Natürlich nicht«, antwortete er, in einem Tonfall, der Entrüstung ausdrücken sollte, aber nur verletzt klang.
»Einen Moment lang dachte ich es«, sagte sie. Sie versuchte zu lächeln, aber es mißlang ihr, und ganz plötzlich mußte sie mit den Tränen kämpfen. »Ich hatte solche Angst.«
»Unsinn«, sagte Tobias. »Ich würde dich doch nicht . . .«
»Ich glaube, sie würden mich davonjagen«, fuhr Katrin fort, ganz leise, mit zitternder Stimme.
»Unsinn!« sagte Tobias noch einmal. »Warum sollten sie?«
»Weil das, was wir hier tun, Sünde ist«, antwortete Katrin mit großem Ernst. »Du weiß doch, was Vater Hegenwald über die fleischliche Lust gesagt hat. Daß sie verboten ist.
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Und daß Gott die mit ewiger Verdammnis bestraft, die sich ihr hingeben.«
»Wenn sie in Sünde geschieht«, antwortete er mit kindlicher Logik, »aber das gilt nicht für uns. Wir werden heiraten, oder nicht? Ich meine, wir gehören zusammen,
und . . .«
Katrin hob die Hand, zog seinen Kopf zu sich herab und küßte ihn.
Es war wie die Male zuvor, und doch gleichzeitig vollkommen anders. Ihre Lippen waren so weich und warm wie immer, aber da wuchs eine Erregung in ihm, als wäre es das erste Mal, daß er sie berührte, und als er die Hand hob, um ihre Brust zu streicheln, da zitterte er. Sein ganzer Körper bebte, jeder einzelne Nerv schien in Flammen zu stehen, und die Erregung zwischen seinen Lenden wurde fast zu einem pochenden Schmerz.
Katrin seufzte, schloß die Augen und ließ sich rücklings ins Moos sinken, wobei sie ihn mit sich zog. Ihre Finger glitten über seine Schultern, krallten sich in seinen Rücken und rissen dann mit einem Ruck sein Hemd herunter, während Tobias' Hände über ihren Leib fuhren, über ihren festen, flachen Bauch und weiter hinab, zu jenem dunklen verbotenen Dreieck zwischen ihren Schenkeln, das zu berühren sie ihm bisher nicht gestattet hatte.
Heute ließ sie es geschehen.
Geschickt und schnell streifte sie seine Hose ab und streichelte ihn, zuerst sanft, dann immer rascher und heftiger, bis er vor Erregung stöhnte und sich wand, und es vergingen nur Augenblicke, bis er sich auf ihre Schenkel ergoß.
Erschrocken und beschämt richtete er sich auf und starrte sie an, und für einen ganz kurzen Moment sah sie genauso erschrocken aus wie er. Aber dann lächelte sie, und als er etwas sagen wollte, zog sie ihn abermals zu sich herab und verschloß seine Lippen mit einem Kuß.
Katrins Hände fuhren liebkosend über seinen Rücken.
Wieder jagte ein süßer Schauer durch seinen Körper. Er war glücklich. Sie gehörten zusammen. Das Leben auf Erden bestand nicht nur aus Mühsal und Pein, nein, auch in dieser 81
Welt konnte man ein Stück des Himmelreiches finden. Er hob ein wenig den Kopf, küßte ihre Lippen und ihre
geschlossenen Augen und bettete die Stirn an ihrem Hals.
Ihm war schwindelig vor Glück.
Dann traf ein Schlag seinen nackten Rücken und ließ ihn vor Schmerz aufschreien.
Mit einem Satz sprang er in die Höhe, fuhr herum und stürzte sofort wieder, als ihn ein zweiter, noch heftigerer Schlag ins Gesicht traf. Er stolperte über Katrins Beine, schlug schwer mit dem Hinterkopf gegen eine Wurzel und blieb für einen kurzen Moment benommen liegen. Sein Mund füllte sich mit Blut.
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