Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Inquisito
Vom Netzwerk:
Bresser.
    »Doch.«
    »Das hat einen Grund«, fuhr Bresser fort. »Es war nicht immer so. Früher einmal war dies eine ganz normale Stadt.
    Bevor es den Pfuhl gab und all die anderen Dinge . . .«
    »Welchen Grund?« fragte Tobias ungehalten.
    »Die Leute wagen sich nicht mehr aus den Häusern,
    sobald die Sonne untergegangen ist«, antwortete Bresser.
    »Sie wagen es nicht einmal, Licht zu machen. Es geschehen . . . sonderbare Dinge, wenn es finster geworden ist.«
    »Was genau meint Ihr damit: sonderbare Dinge?«
    Bresser zuckte mit den Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Manche behaupten, Geister gesehen zu haben. Manche sagen, die Toten wandeln durch die Straßen. Manche hören unheimliche Laute. Ihr könnt fragen, wen Ihr wollt -
    jeder wird eine andere Geschichte erzählen.«
    »Das klingt . . . ziemlich verworren, findet Ihr nicht?«
    143
    fragte Tobias. Gleichzeitig mußte er mit aller Macht die Bilder zurückdrängen, die vor seinen Augen entstehen wollten: Bilder von Gestalten mit Knochengesichtern.
    »Aber es ist wahr«, antwortete Bresser gelassen. »Oh, nicht in jeder Nacht, natürlich. Aber oft genug. Ich will gar nicht wissen, was Ihr gestern abend gesehen habt. Aber ich glaube, es war schlimm genug.«
    »Und wie lange geht das schon so?« fragte Tobias.
    »Seit einem Jahr«, antwortete Bresser. »Seit das mit dem See geschah und alles andere.«
    »Und niemand hat je versucht, herauszufinden, was es mit diesen . . . Ereignissen auf sich hat?« fragte Tobias.
    Bresser lächelte dünn, als er das winzige Stocken in Tobias' Worten registrierte. »Wolltet Ihr das - gestern nacht?«
    fragte er. »Ich jedenfalls nicht. Einmal hat es einer versucht.«
    »Und?«
    »Niemand hat je wieder von ihm gehört.«
    Tobias schwieg betroffen. Was er in den letzten Minuten von Bresser erfahren hatte, das verwirrte ihn eigentlich mehr, als es ihn erschreckte. So schlimm seine Worte waren
    - es waren nur Worte.
    Er sprach nicht weiter. Sie frühstückten schweigend zu Ende, und danach sprach er ein kurzes Gebet, an dem Bresser nicht teilnahm. Er faltete zwar die Hände und schloß die Augen, und seine Lippen bewegten sich, als spräche er Tobias' gemurmelte Worte für sich nach, aber Tobias spürte genau, daß er das nur vortäuschte. Er mußte an das Kreuz denken, das abgenommen und wieder aufgehängt worden war. Plötzlich war er sicher, daß der einzige Grund, aus dem Bresser dies getan hatte, seine Anwesenheit in diesem Haus war.
    Nachdem er das Gebet zu Ende gebracht hatte, wollte er sich erheben und das Haus verlassen, aber Bresser hielt ihn noch einmal zurück.
    »Da wäre noch etwas.«
    »Ja?«
    »Es geht um die He ... um Katrin«, verbesserte er sich.
    »Was ist mit ihr?«
    144
    Bresser druckste einen Moment herum. »Sie kann
    nicht . . . nicht hierbleiben«, sagte er schließlich. »Ihr müßt das verstehen. Die Leute beginnen schon zu reden. Sie schläft in Eurem Bett -«
    »Und ich in Eurem, Bresser«, unterbrach ihn Tobias kalt.
    »Ich will sie nicht unter meinem Dach haben«, antwortete Bresser, ohne ihn anzusehen.
    Bresser wirkte nicht sehr zufrieden mit sich. Wahrscheinlich hätte er Katrin am liebsten im nächsten Moment auf die Straße geworfen. Und Tobias verstand ihn sogar. Bresser hatte ihn gewollt oder ungewollt an seinem eigentlichen Auftrag gemahnt. Es war so viel auf ihn eingestürmt, daß er allmählich zu vergessen begann, warum er überhaupt hier war.
    Er konnte schlecht mit der Frau, der er einen Prozeß wegen Hexerei machen sollte, in einem Zimmer schlafen.
    Im Grunde, das wußte Tobias, war seine Mission mit dem Moment gescheitert, als er den Turm betreten und erkannt hatte, um wen es sich bei der Hexe handelte. Er wollte nicht mehr, daß die heilige Inquisition auftrat, sondern suchte nur noch Beweise für Katrins Unschuld. Einen Prozeß wollte er unter allen Umständen vermeiden.
    »Ich werde darüber nachdenken«, versprach er noch einmal. »Vielleicht überlegt ihr in dieser Zeit schon einmal, ob es in Buchenfeld einen Ort gibt, an dem wir sie unterbringen können - außer diesem entsetzlichen Turm da drüben.«
    »Keinen«, sagte Bresser. »Aber ich habe mit dem Grafen gesprochen. Ihr könnt sie aufs Schloß bringen. Dort ist Platz genug. Und sie wäre in Sicherheit.«
    Tobias beschloß, später in Ruhe über diesen Vorschlag nachzudenken, zuckte zur Antwort nur mit den Achseln und verließ endgültig die Stube. Bresser folgte ihm, und Tobias unterdrückte im letzten Moment den Impuls,

Weitere Kostenlose Bücher